Richtig Essen

GfE- Gesellschaft für richtiges Essen und Lebensgestaltung e.V.

Ruhestand macht alt. Erfahrungen aus Okinawa.

Erstellt von r.ehlers am Freitag 26. Februar 2016

Mancher alte Mensch, der sich nicht mehr traut, sein Auto sicher zu führen, lässt es in der Garage stehen. Vielleicht brauchte er es doch einmal, denkt er sich. Allerdings ist allgemein bekannt, dass so komplizierte Objekte wie Autos, aber auch Fernseher, Waschmaschinen und Computer immer ihre Schwachstellen haben, die ihre Langlebigkeit begrenzen. Ich spreche da nicht einmal die bekannten „Sollbruchstellen“ an, die die Hersteller einbauen, damit ihre Geräte nicht zu lange halten und Ersatz gekauft werden muss.

Die komplexeste Einheit, die es je gegeben hat, ist indessen der Mensch. Nichts ist auch nur annährernd so kompliziert im Aufbau und in der Hervorbringung  von Leistungen wie wir selbst. Die Komplexheit des Menschen istinsbesondere deshalb um viele Kategorien höher, weil wir auf die sensiblste Weise nicht nur nach den Gesetzen der Mechanik, der Elektronik und der Chemie funktionieren, sonderen auch nach den inneren Gesetzen von Gefühl und Verstand und weil wir in einer funktionalen Wechselbszüglichkeit mit unseren Mitmenschen stehen. Es ist daher eine Frage der Lebenskunst, sich all diesen Anforderungen  zu stellen. Wie das erfolgreich zu schaffen ist, liegt eigentlich nahe:

Wir müssen in Bewegung bleiben, sowohl körperlich wie emotional und geistig, wenn wir nicht bald „zum alten Eisen“ gehören wollen. Wer das perfekt beherrscht hatte, waren die Menschan auf Okinawa in Japan, die für ihre Langlebigkeit und Frische selbst im höchsten Alter einige Jahrzehnte lang weltberühmt waren.

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Lesenswert: „So werden Sie 100 Jahre: Das Geheimnis von Okinawa“ von Ulla Rahn-Huber mit zahlreichen Fotos von Eva Huber (erschienen im mvg Verlag, 19,90 Euro).

Der Report auf Arte über die“ Medizin in fernen Ländern“ vom 25.2.2016 zeigte sehr schön die Gründe auf, weshalb das das alte Okinawa-Modell so erfolgreich war. Mit der Übernahme der westlichen Lebensweise nach dem Zweiten Weltkrieg sind davon allerdings nur noch kleine Reste im 3.200-Seelen-Dorf Ogimi im Norden der Inselkette geblieben. Im Übrigen ist die besondere Langlebigkeit auf Okinawa verschwunden. Seit Fast Food die Norm ist und die Menschen keinen Finger mehr krümmen müssen, um sich zu versorgen, ist auch dort jeder zweite Mensch übergewichtig.

Eine aufschlussreiche Zahl:

Bevor es die Menschen auf Okinawa voll traf, übernahmen 100.000 Auswanderer von dort nach ihrem Umzug nach Brasilien nach dem Ende des Zweiten Weltkriegens die dortigen Ess- und Lebensgewohnheiten. Wie festegestellt wurde, liegt ihre Lebenserwartung heute 17 Jahre unter der in Okinawa!

Gerade habe ich über die erstaunliche Gesundheit und Langlebigkeit der Hadzas in Afrika und der Kaukasier geschrieben: http://www.essenspausen.com/die-gesundheit-der-hadza-und-der-kaukasier/ und habe die Grundbdingungen hierfür wie folgt  zusammengefasst:

  1. Viel ausdauernde Bewegung
  2. Frische vielseitige Nahrung aus der Region
  3. Regelmäßig auch rohe Nahrung verzehren
  4. Tagsüber kaum oder wenig essen (Essenspausen)
  5. Gemeinschaftlich nach der Tagesarbeit das Essen genießen.

Die alte Lebenskunst auf Okinawa läuft weitgehend auf dieselben Momente hinaus. Aber sie setzt auch beachtliche ergänzende Aspekte.

Kein Ruhestand

In der alten Sprache auf Okinawa gibt es nicht einmal ein Wort für den Ruhestand. Aktiv zu sein ist normal für jeden Menschen. Der stete Wechsel von Arbeit bzw. Beschäftigung und Ruhe ist zu jeder Zeit des Lebens erstrebenswert. Es ist falsch, das Leben in eine Vorbereitung auf die Hauptphase des Lebens, die von Arbeit und Leistung geprägt ist und ein Leben in Untätigkeit danach einzuteilen.

Der Respekt vor dem Alter ist in ganz Japan viel ausgeprägter als in den westlichen Ländern. Menschen werden nicht wergen ihres Alters aus dem Berufsleben ausgeschlossen. Alte Menschen werden geschätzt wegen ihrer Zuverlässigkeit, Umsicht und Erfahrung. Die Schnelligkeit der Jugend ist nicht das oberste Prinzip. Entsprechend werden „die kleinen Alten“ (frz. petif vieux) nicht als Last angesehen. De facto sind sie in ihrer auffallend großen Gesundheit und Aktivität ja bis zu ihrem Ende eine große Hilfe für ihre ganze Umwelt, für die anderen Menschen ihres Alters wie auch für Kinder und Kindeskinder.

Hilfsnetzwerke

Traditionell treffen sich in den Dörfern Okinawas die Alten zweimal die Woche für gemeinsame Aktionen wie Diskuttieren, Tanzen, Meditation, Karate, Gymnastik, Basteln und Spielen. Dass alte Menschen total vereinsamen und tatschlich hier und da erst lange Zeit nach ihrem Tode in ihrer Wohung gefunden werden, gibt es dort nicht.

Besondere Essensregeln

Regionale Produkte zu essen, ist von hohem Wert, besonders wenn man sie selbst im eigenen Garten hat wachsen lassen. Gartenarbeit ist keine leichte Arbeit, kann aber von alten Menschen gut bewältigt werden. Wichtiger aber noch als die Herkunft der Lebensmittel ist ihre schonende Zubereitung. Dampfkochtöpfe und der Wok sind Standard in Asien. Sie sind die wichtigsten technischen Hilfsmittel in der Küche, wenn es um den Erhalt des inneren Reichtums der Lebensmittel geht.

Am wichtigsten aber ist,  den Hunger grundsätzlich nur zu 80 % zu stillen und langsam zu essen, weil das Sättigungshormon Cholecystokinin erst 20Minuten nach Essensbeginn eine Sattheit meldet. Da sind die Schnellesser schon dreimal mit ihrem Essen auf dem Teller fertig!

Auf  japanisch heißt das:

Hara hachibu („Füll Dir den Magen nur zu acht (von zehn) Teilen“)

Es gibt die Meinung, dass eine leichte Unterversorgung mit Kalorien  die Regeneration des Körpers auf Trab hielte.  Darauf zu achten, niemals zu überessen, sondern immer ein kleines Plätzchen im Magen frei zu lassen, ist in jedem Fall eine sehr kluge Sache.

Man isst dann bewusster, was sich auch auf die richtige Nahrungsaauswahl positiv auswirkt. Die Folge ist, dass man nicht so viel Nahrung mit geringem Volumen aber hoher Energiedichte und nicht zuviel Eiweiß, Fett, Zucker und Salz isst wie Fleisch , Käse, Fett, Backwaren und Süßigkeiten, sondern mehr Obst und Gemüse mit ihren wertvollen Ballaststoffen.

Im Westen setzen sich solche Vorstellungen erst in den letzen Jahrzehnten langsam durch (Balliststoffe, Volumetrics).

Apropos Salz: Salz gibt dem Essen den letzten Pfiff, doch zuviel davon erhöht das Blutvolumen und der Druck auf die Gefäße steigt. Würzige Alternativen: Chili, Pfeffer, Kräuter und Pilze.

Liebe zur Natur und Respekt vor den Mitmenschen

Der chinesische Taoismus ist auch in Japan die entscheidende spirituelle Grundlage für den Glauben an und ihre große Liebe zur Natur. Diese und der vom Konfuzianismus herrührende Respekt vor den Mitmenschen, besonders den Frauen und den Alten sind ein günstiger Nährboden für eine positive Einstellung zum Leben und zum Älterwerden in guter Gesundheit. Damit sind auch sie Teil des Geheimnisses des traditionell langen Lebens auf Okinawa.

Ein Kommentar zu “Ruhestand macht alt. Erfahrungen aus Okinawa.”

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