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GfE- Gesellschaft für richtiges Essen und Lebensgestaltung e.V.

Volk ohne Herrschaft

Erstellt von r.ehlers am Sonntag 30. Juni 2019

Bürgerlich-demokratische Revolution in Deutschland 1848

Wir benutzen alltäglich wichtige Begriffe wie „Volk“ und „Demokratie“, wissen aber nicht sicher, was sie bedeuten. Diese Unwissenheit betrifft beileibe nicht allein die große Mehrheit der Menschen, sondern auch die unter ihnen, die wissenschaftlich oder beruflich besonders mit den Phänomenen des Volkes und der Demokratie zu tun haben. Der Schweizer Journalist Robert Misik stellte am 4.6.2019 in einem Gastkommentar in der Neuen Züricher Zeitung fest, dass es „das Volk“ nicht gäbe. Die ganze Bevölkerung eines Landes sei es nicht, allein der Aufenthalt im Staatsgebiet reiche zu dieser Annahme nicht aus. Welche Kriterien aber sonst zu erfüllen seien, sei nicht sicher auszumachen. Also eine Art „Unlösbarkeitstheorie“.  Dazu gleich mehr.

Immerhin sagen alle sich demokratisch nennenden Verfassungen der Welt, dass es das Volk in dem bezeichneten Staatsgebiet sei, das sich solche Grundordnungen gegeben habe. Tatsächlich wurden alle diese Regeln jeweils von einem kleinen Gremium von Leuten bestimmt, die von den gerade die Macht Innehaltenden ausgewählt wurden. So wurde auch das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (BRD) 1949 nach Vorbereitung durch den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee vom Parlamentarischen Rat geschrieben und von den drei westlichen Besatzungsmächten genehmigt.  Niemand wird behaupten wollen, dass diese Gremien mit ein paar Dutzend ausgewählter Persönlichkeiten das deutsche Volk gewesen seien.

Bis zur Vereinnahmung der DDR durch die BRD legte der alte Art. 146 GG fest, dass nach der Herstellung der Einheit Deutschlands mit den weiteren Teilen des alten Deutschen Reiches sich dann doch das ganze deutsche Volk in voller Freiheit seine künftige Verfassung geben sollte. Das wurde von den etablierten Parteien im Bundestag und der Regierung Kohl mit der „Wende“ trickreich vereitelt, indem Art. 146 GG einfach geändert wurde und die in der DDR von der frisch gewählten Volkskammer neu gebildeten fünf Länder ihren Anschluss an die BRD erklärten. Zuvor hatten im Osten millionenfach Menschen auf Demonstrationen skandiert: „Wir sind das Volk!“ Aber weder auf ihre Meinung noch auf die der Bürger in den westlichen Bundesländern wurde in den Parlamenten und Regierungen in Bonn, Berlin und in den Bundesländern geachtet.

In der etwas schwammigen Sprache des Gesetzes (Artikel 20) klingt das so: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“ Auf diese Weise bleiben die Kriterien der Begriffe Volk und Demokratie im Dunkeln. Vielleicht sollte ich sogar sagen, dass damit über den wahren Inhalt der Begriffe getäuscht wird. Woher aber sollen die tatsächlichen Begriffsmerkmale kommen? Man muss wissen, dass soweit keine verpflichtende gesetzliche Definition erreicht, solche Begriffe auch als Rechtsbegriffe gelten, weil sie Sprachbegriffe sind. Ihr Inhalt ist sprachanalytisch zu ermitteln, ihre Geltungskraft haben sie dann durch die Bindungswirkung der Sprache. Es sollte daher nicht so schwer sein, für jedermann verständlich darzulegen, was das Volk ausmacht und was eine Demokratie ist.

Art. 116 GG  definiert das Volk so: Deutsche, die in ihrer Gesamtheit das deutsche Volk bilden, sind in erster Linie die Masse der deutschen Staatsangehörigen, ergänzt um Vertriebene, zu Unrecht Ausgebürgerte und (nach dem Vertriebenengesetz) auch in den Osten ausgewanderte frühere deutsche Staatsangehörige und deren Nachkommen, die sich zum „deutschen Volkstum“ bekannt haben. Erst durch die Folgen des 2. Weltkrieges kam die Notwendigkeit auf, auch solche Volksdeutschen zum deutschen Volk zu zählen. Bis dahin gab es nur Auslandsdeutsche, die emigriert und woanders heimisch geworden waren, sodass sie hier ihre Bürgerrechte verloren. Allerdings ließen die deutschen Länder meist Repatriierungen zu – anders im Falle des Großvaters von Donald Trump, dem vorgeworfen wurde, statt der Ableistung seiner Wehrpflicht das Land verlassen zu haben.

Die der Auswanderung und den Kriegsfolgen geschuldeten Sonderprobleme sind inzwischen Geschichte. Heute wird jeder Teil des deutschen Volkes, wenn er die Staatsangehörigkeit erwirbt, selbst wenn er seine bis dahin bestehende Staatsangehörigkeit und auch emotional seine alte Volkszugehörigkeit beibehält. Die Übernahme deutschen Volkstums oder einer „deutschen Leitkultur“ (Merz) gehört nicht zu den Kriterien des Volksbegriffes. Völlig unverständlich ist allerdings, wie die Kanzlerin Merkel das Volk belehrt: „Das Volk ist jeder, der in diesem Lande lebt.“ Wie passt denn das zu der 2015 von ihr betriebenen unkontrollierten Zuwanderung?

Der Begriff der Demokratie ist zum Teil viel leichter zu erklären als der des Volkes, denn eigentlich ist gemeint die Herrschaft des Volkes im Gegensatz zur Herrschaft der üblichen Eliten. In aller Geschichte (mit Ausnahme wohl nur der Schweiz) haben wir das niemals gesehen, dass die Regierenden in ihren sachlichen Entscheidungen an den Willen des Volkes gebunden waren. Ich vernachlässige mal die nur regional bedeutsamen Entscheidungen in einigen deutschen Bundesländern. Warum nur bindet der Wille des Volkes nicht den Gesetzgeber und die Regierung? Warum nur wird laufend akribisch ermittelt, welche Parteien vom Volke gewählt werden würden, wenn morgen die Parlamente neu zu besetzen sind, während die Meinung der Bürger in den wichtigsten Sachfragen kaum abgefragt wird wie die Rettung der verzockten Banken, der Übernahme fremder Staatsschulden, der unkontrollierten Migration, der Beteiligung an Kriegen und die Aufgabe souveräner Rechte des Staates an Private oder Drittländer?

In der Bundesrepublik werden die wichtigsten Entscheidungen vom Bundestag getroffen. Dort bestimmen die in Parteien auftretenden Abgeordneten, die sich alle 4 Jahre zur Wahl stellen, innerhalb ihrer Amtszeit aber in ihren Entscheidungen frei sind (Art. 38 GG). Mal der eine, mal der andere äußern öffentlich ein Interesse an der Einführung eines Kerns von direkter Demokratie wie insbesondere bundesweiter Volksentscheide. In stiller Übereinkunft bilden sie insoweit aber nie eine Mehrheit im Parlament. So kommt es, dass im Volk wie zu Zeiten der Monarchen immer noch die Vorstellung herrscht von denen „da oben“ und dem Volk ganz unten.

Ich plädiere dafür, dass wir niemals mehr einen Politiker wählen, der sich nicht öffentlich zur Einführung bundesweiter Volksentscheide bekennt. Sonst bleibt es dabei, dass die kleine Schicht der Politiker, die sich nach oben hochgestrampelt haben, immer weiter die Rolle des Vormunds des Volkes spielt. Dass  sie nicht mehr wissen und können als unzählige Menschen aus dem Volk beweist diese Quasi-Elite doch jeden Tag. Der beliebte Satz: „Mit dem Amt wächst der Verstand!“ ist leider überhaupt nicht wahr.