Richtig Essen

GfE- Gesellschaft für richtiges Essen und Lebensgestaltung e.V.

Middelhoff: Folter durch Schlafentzug

Erstellt von r.ehlers am Mittwoch 8. April 2015

Thomas Middelhoff in der JVA: Künast pocht auf Menschenrechte. Der frühere Top-Manager Thomas Middelhoff. (Quelle: dpa)

Der frühere Top-Manager Thomas Middelhoff ist seit Mitte November in Haft. (Quelle: dpa)

Wäre der Unterscuchungshäftling Thomas Midelhoff als früherer Karstadt- und Arcandoreigentümer nicht so prominent, wäre es wohl nicht herausgekommen, dass die Leitung der Justizvollzugsanstalt Essen der festenÜberzeugung war, alles richtig zu machen, als sie den wirtschaftlich und persönlich tief gefallenen Häftling Middelhoff vier Wochen lang Tag und Nacht spätestens alle 15 Minuten in seiner Zelle kontrollierte, indem die Zellentür geöffnet, Licht angemacht wurde und sich ein Wärter vergewisserte, dass Middelhoff sich nichts antat. Der Leiter der Einrichtung Alfred Doliwa rechtfertigte das wie folgt:

 „Wenn jemand alles zu verlieren droht, ist das der typische Fall eines Bilanz-Selbstmordes.“ … „Das Leben des Gefangenen hat Vorrang. Was wäre denn passiert, wenn sich Herr Middelhoff was angetan hätte?“

S.http://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/id_73542882/thomas-middelhoff-in-der-jva-kuenast-pocht-auf-menschenrechte.html

Middelhoff wurde schwer krank. Seine Verteidiger und Renate Künast von den Grünen führen das auf die auch alle Nächte hindurch betriebene „engmaschige Überwachung“ zurück, die ihm über einen so langen Zeitraum hinweg keine Möglichkeit des friedlichen Durchschlafens gewährte.

Warum ist dieser Vorgang so erwähnenswert, dass ich ihn hier aufgreife? Nicht wegen  Middelhoff, wegen des unwissenden Leiters der JVA oder der Kritik der Grünen, sondern weil der Fall zeigt, dass das neue Bild vom Menschen in unserer Gesellschaft noch kaum bekannt ist.

 

Unsere Justiz urteilt über Bürger, die gegen strafbewehrte Gesetze verstoßen, auch im 21. Jahrhundert nach Kriterien von Verantwortung und Schuld, die schon vor Jahrtausenden galten. Dementsprechend kennt sie als Antwort auf die unzähligen oft einfallsreichen Fehlverhaltensweisen der Straftäter praktisch nur die beiden immer gleichen Keulen: Geldstrafe oder Freiheitsentzug. Weniger einschneidende „Maßnahmen der Sicherung und Besserung“ haben daneben wenig Gewicht.

Mehr oder minder gilt immer noch die alttestamentaridche Regel des „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. In der islamischen Scharia suchen diese Atavismen sogar wieder die vollständige Rückkehr in die heutige Welt. Irrtümer werden aber nicht richtiger, je länger sie leben.

In meiner früheren Arbeit als Strafverteidiger habe ich nicht einen einzigen Straftäter gesehen, dem die Wegnahme von Vermögenswerten oder von Einkommen oder das Wegsperren irgendeinen Vorteil gebracht hätte. Sie werden sagen, dass es ja auch nicht der Zwecke eines Strafverfahrens ist, dem Täter Gutes zu tun.Kümmert man sich aber nicht darum, wird es für niemanden besser:

Immer werden durch die Strafen die „unschuldigen“ Familienangehörigen des Verurteilten mit getroffen. Besonders verrückt, in gewisser Weise sogar drollig, ist es, dass Menschen, die nachhaltig ihre Unterhaltspflicht verletzen, zur Zahlung von Geldstrafen verurteilt werden – können sie dann vielleicht den Zahlungsverpflichtungen ihren Familienangehörigen gegenüber besser nachkommen? Natürlich hilft es den Opfern von Straftaten nie, wenn der Staat die Strafen kassiert und auf der Seite des Täters das Geld zur Wiedergutmachung fehlt.

Wer persönlich das Opfer eines strafbaren Verhaltens geworden ist, ist selten so weise, dass er sich auch um die Psyche des Täters kümmert. Die Gesellschaft aber muss das tun. Auch Straftäter haben Grund- und Menschenrechte, woran Frau Künast (s.o.)  ausdrücklich erinnerte. An der Einrichtung der Zellen und im Ablauf des Lebens im „Knast“ hat sich bei uns im Verlaufe des vorherigen Jahrunderts viel verbessert. Es ist auch ein sehr gutes Zeichen, dass bei uns schrittweise Strafanstalten rückgebaut werden konnten,weil die Zahl der Verurteilten sank – ganz im Gegensatz zu den USA, wo die Gefängnisse aus allen Nähten platzen und immer neue privat betriebene Hafteinrichtungen hinzukommen. Aber bei uns werden ja auch nach dem Ende des 2. Weltkrieges rassische Minderheiten nicht mehr systematisch benachteiligt wie seit eh und je die Afroamerikaner in den USA.

Dass allerdings der Leiter einer deutschen Justizvollzugsanstalt so blind ist, nicht zu erkennen, dass es eine wahrhafte Folter ist, wenn ein Mensch über viele Tage und sogar Wochen hinweg am zusammenhängenden Schlaf gestört wird, zeigt, dass in unserer Gesellschaft das Wissen um die fundamentalen gesundheitlichen Bedürfnisse eines jedes Menschen nicht angekommen ist. Dabei wissen es Millionen unserer Mitbürger, wie erbarmungslos es sie Nacht für Nacht regelrecht niederreißt, dass sie erst nicht in den Schlaf finden können und dann nachts immer wieder aus dem Schlaf gerissen werden und einfach nicht wieder einschlafen können. Die direkte Folge ist, dass sie mit dem falschen Bein aufstehen und den ganzen Tag über nicht richtig in die Gänge kommen können!

Wie wichtig ausreichender zusammenhämngender Schlaf für die Gesunderhaltung wirklich ist, wissen wir heute so gut wie nie zuvor,s. http://www.essenspausen.com/regeneration-im-schlaf-lebenserhaltung-verjuengung/.

Noch einmal zu Middelhoff: Ähnlich wie der Steuersünder Hoeness ist auch Middelhoff trotz des enormen Schadens, den er angerichtet hat, nicht sehr schwer bestraft worden.Bestimmt führt er sich in der Haft gut, sodass er nur 2/3 seiner Strafe absitzen muss. Also ob es kein Leben nach einer solchen nur zweijährigen Auszeit gäbe! Da er schon die Insolvenz beantragt hat, wird er bald nach dem Wiedereintritt ins normale Leben auch schuldenfrei sein.Es ist angesichts dieser Umstände fraglich, ob er überhaupt  Suizidabsichten gehabt hat. Beim Piloten Andreas S. der Germanwings war alles anders. Dieser hatte bekanntermaßen schwere Depressionen gehabt. Fachleute wissen, dass Depressionen kommen und gehen und auch wiederkommen können.Lange war es öffentlich hart geleugnet worden war, ist aber heute ganz klar, dass die üblichen Antidepressiva (Serotoninwiederaufnahmehemmer/SSRI), die zur Bekämfung der Symptome der Depression gern verschrieben werden, eine starke Suizidneigung erzeugen können. Da hat man die Suizidgefahr nicht gesehen, wohl aber bei Middelhoff, wo sie gar nicht auf der Hand lag.

Ein Bilanz-Selbstmord, vor dem der Leiter der JVA Essen solche Angst hatte, ist ein schon seit vielen Jahren bekanntes Phänomen. Es gibt ihn in der Realität aber nicht, wenn mit ihm nicht eine Unterversorgung mit dem Botenstoff  Serotonin  einher geht, das wegen dieser besonderen Funktion von der Endokrinologie auch das Suizidkontrollhormon genannt wird. Einfach die Abwägung von Für und Wider des Weiterlebens ist kein ausreichender Anstoß dafür, sich das leben zu nehmen.Ein solcher Selbstmord aus Kalkül, wenn es ihn gibt, ist schwer zu erklären. Üblicherweise braucht es eine krankhafte Strebung, sich ultimativ gegen den natürlichen Trieb zur Selbsterhaltung zu Tode zu bringen.

S. dazu auch: http://www.essenspausen.com/alterssuizid-wette-gegen-scobel/

So wie das Glück im Leben nicht eine Frage des wirtschaftlichen Wohlergehens ist, ist der Verlust allen Wohlbefindens weit weniger eine Frage der Ökonomie als der Chemie. Sehr schön beschreibt diese Zusammenhänge Frau Professor Dr, Ingrid Gerhard in ihrem famosen Frauen-Gesundheitsbuch, Haug, 2009:

„Glück ist nach aktueller Forschung im Grund nichts anderes als Chemie. Das erklärt, dass Menschen mit besonderen Störungen im Gehirn trotz optimaler Lebensbedingungen traurig sein können.Um lück oder Freude, Trauer oder Wut empfinden zu können, sind Botenstoffe nötig, die Informationen an die entsprechenden Stellen transportieren.“