Richtig Essen

GfE- Gesellschaft für richtiges Essen und Lebensgestaltung e.V.

Spiritualität im weiten und im engen Sinne

Erstellt von r.ehlers am Samstag 19. März 2016

Wenn Sie einmal ein Beispiel einer unerhörten Begriffsverwirrung bestaunen wollen, rufen Sie doch einmal im Wikipedia das Stichwort Spiritualität auf. In meinem Beitrag http://www.essenspausen.com/spiritualitaet-und-koerperliche-versorgung/  habe ich versäumt, darauf hinzuweisen, dass meine Vorstellung von dem, was unter Spiritualität zu verstehen ist, nicht allgemein geteilt wird. Meine Vorstellung setzte an an der weitest möglichen Auslegung des Begriffs als einer auf Geistiges aller Art ausgerichteten Haltung.

Mehrheitlich wird der Begriff viel enger gesehen. Sehr viele Menschen, besonders im englischen Sprachraum setzten die Spiritualität ziemlich unbedacht mit der Religiosität oder Frömmigkeit gleich, auch dort, wo die Mehrheit der Menschen überhaupt nicht gottgläubig ist. Sprachanalytisch ist das indessen falsch. Der wahre Inhalt eines Sprachbegriffs ergibt sich ja nicht aus dem Ergebnis einer Meinungsumfrage, sondern aus der rational kontrollierten gründlichen Analyse aller möglichen in der Realität in ihn einfließenden Begriffsbestanteile.

-de.wikipedia.org-

Anteil der Bevölkerung, die „glaubt, dass es einen Gott gibt“

Deer Wahrheit näher kommt der bei Wikipedia zitierte Psychologe Rudolf Sponsel, der den Gottglauben nicht als zwingendes Kriterium für eine spirituelle Haltung ansieht und sich mit einer Beschäftigung mit dem „Prinzip der transzendenten, nicht-personalen letzten Wahrheit oder höchsten Wirklichkeit „ begnügt.

Dagegen scheint mir die häufige Annahme viel zu weit zu gehen, dass Spiritualität mehr sei als nur die Beschäftigung mit oder die Suche nach einer immateriellen, nicht sinnlich fassbaren Wirklichkeit, sondern die Vorstellung, dass sie dennoch erfahr- oder erahnbar sei (Ahnen, inneres Erwachen, Offenbarung) und schließlich,dass diese Vorstellung auch der Lebensgestaltung eine Orientierung gibt. Durch die Hintertür ist man damit wieder bei der Religion, wenn auch ohne eine Gottperson und ohne eine Kirche.

In meinem Beitrag über Spiritualität und körperliche Versorgung habe ich schon kurz angesprochen, wie der bedeutende neuzeitliche Philosoph Thomas Metzinger die Spiitualität als eines rein säkularen Phänomens begegnet. In seinem Berliner Vortrag (2010)

„Spiritualität und intellektuelle Redlichkeit“, im Netz nachlesbar unter http://www.blogs.uni-mainz.de/fb05philosophie/files/2014/04/TheorPhil_Metzinger_SIR_2013.pdf,

nennt er die

Spiritualität eine epistemische und zugleich ethische Lebenseinstellung, die dem Prinzip der intellektuellen Redlichkeit folgt, der unbedingten Aufrichtigkeit, Wahrhaftigkeit und Gewissenhaftigkeit gegen sich selbst, um Irrtum und Selbsttäuschungen zu vermeiden. Intellektuelle Redlichkeit lasse nicht zu, etwas ohne zureichende Belege, Anhaltspunkte oder Indizien zu glauben (John Locke).“

Als dieser Spiritualität entgegengerichtet sieht er alle metaphsischen Glaubenssysteme an. Epistemik und Erkenntnisphilosophie sind in diesem Zusammenhang gleichbedeutend. Entspricht es denn nicht bereits dem „gesunden Menschenverstand“, sich nicht blind  darauf zu verlassen, dass wir Menschen mit unseren beschränkten Sinnen und unseren ebenfalls nicht unendlichen geistigen und emotionalen Fähigkeiten in der Lage wären, die Rätsel des Seins zu lösen?!

Im Sinne einer klugen Lebensgesataltung liegt es letztlich nicht, der real erlebbaren Welt schon zu Lebzeiten im Gedanken an eine andere Welt zu entfliehen.

Ein ehrlicher und aufrichtiger spiritueller Mensch stößt  im Sinnen über die Metaphysik und das Jenseits sehr schnell an die natürlichen Grenzen seiner Erkenntnis und verzichtet darauf, sich und seinen Mitmenschen etwas vorzumachen.