Richtig Essen

GfE- Gesellschaft für richtiges Essen und Lebensgestaltung e.V.

Lebensgemeinschaft: Segen und Fluch

Erstellt von r.ehlers am Montag 9. November 2015

Was geschieht mit dem Menschen, wenn er nach dem Verlassen der elterlichen Famiiengemeinschaft und dem Erleben einer eigenen Lebensgemeinschaft mit Ehepartner und Kindern plötzlich allein da steht?

RDI-Verlag, 14,80 €

 

Der lebenserfahrene bekannte Psychologe Theo Schoenaker hat sein Buch über die Lebendige Lebenpartnerschaft im Alter mit der listigen Pointe eines  alten Witzes überschrieben:

„Ein Rabbi, ein Imam und ein katholischer Pfarrer diskutieren, wann das menschliche Leben beginnt. Der Imam meint pragmatisch: „Das Leben beginnt mit der Geburt!“ Der katholische Pfarrer widerspricht heftig: „Nein, das Leben beginnt schon mit der Verschmelzung von Ei und Sperma.‘ Der Rabbi korrigiert lächelnd: ‚Ach was, das Leben beginnt, wenn die Kinder aus dem Haus sind und der Hund gestorben ist!“

Solange noch der eigene Lebenspartner da ist, bleibt gefühlsmäßig die Kontinuität des gewohnten Lebens in der Gemeinschaft noch erhalten. Was die Lebenpartnerschaft bedeuten und was ihr Verlust, zeigt sich erst richtig, wenn der Mensch so richtig „single“ ist. Und von den Singles gibt es ja immer mehr, weil Menschen – auch mit Krankheiten – viel länger leben, die  Einzelnen aber natürlich nicht gleichzeitig sterben, so dass viele Partner ehemaliger Gemeinschaften einen beträchtlichen Teil ihres Lebens „solo“ sind..

In ihrem tiefsinnigen Buch „Die Wand“ beschreibt Marlen Haushofer das ländliche Leben einer Frau, die plötzlich durch eine undurchdringliche gläserne Wand von allen anderen Menschen abgeschnitten ist. Ihre Katze und eine Kuh sind ihre einzigen Begleiter. Aber ist ihre Situation denn wesentlich anders als die einer Witwe mit kleiner Rente, die zusammen mit Hund oder Katze in ihrer kleinen Wohnung mit Balkon lebt und alle paar Wochen mal Kontakt mit den weit entfernt wohnenden Kindern hat? Vergleichbar ist die Situation auch mit Menschen in Alteneinrichtungen, die aus gesundheitlichen Gründen oder mangels Interesse von gleich welcher Seite die anderen Mitbewohner der Einrichtung kaum kennen.

Nun aber meine Frage: Sind die Menschen wirklich arm dran, die ihr Leben in seinen vielfältigen Bezügen nicht mehr tagtäglich in Gemeinschaft mit anderen, insbesondere einem Ehe- oder Lebenspartner teilen (müssen)?

Die Natur hat die Menschen zu Geschlechtswesen gemacht, die körperlich und hormonell-mental auf das Ausleben sexueller Interessen geeicht sind.  Neben der dafür nötigen magischen Anziehung der Geschlachtspartner (Östrogene, Testosteron) ist ihre Bindung in den Monaten der Verliebtheit und die Bindung an das schutzbedürftige neue Leben  hormonell vorprogrammiert (Oxitocin).

Regelrecht „vergessen“ hat die Natur die  lebenslange Verhaftung der Geschlechtspartner miteinander, die nur die Störche und ganz wenige andere zweigeschlechtliche Lebewewsen kennen. Wie in der Hundemeute oder der Affenhorde wird uns auch das Leben in einer größeren Gruppe  vorgegeben. Darüber, wie das Zusammenleben im Einzelnen abläuft, sagt uns unsere Natur nichts. Der Natur scheint es zu genügen, dass die Aplpha-Tiere das Erbgut weiter tragen. Ansonsten kann es in der Gruppe drunter und drüber gehen. Wenn Sie mal wieder im Zoo sind, nehmen Sie sich doch einmal Zeit für die Beobachtung der wilden Schweinsafffen. Ähnlich wie bei den Menschen herrscht auch bei ihnen ständig Krieg!

Die Gebote, nach denen wir Menschen mit unserer Individualität gegenüber den Ansprüchen anderer Menschen in unseren Gemeinschaften zurücktreten müssen, sind Werke der Kultur. Soweit sie eine Ordnung in den Gemeinschaften erst ermöglichen, empfinden wir sie  als unverzichtbar. Über die Herstellung von Recht und Ordnung durch das Gesetz hinaus, stehen wir aber in allen unseren Gemeinschaften, von den Abläufen in der ehelichen Lebengemeinschaft bis zum Verhalten im Verein in zahllosen Regelwerken, die uns sagen, was wir zu tun haben.

Im täglichen Leben nimmt man wechselseitig Rücksicht auf die Vorlieben der anderen, besonders im privaten Bereich. Wenn einer der Paprtner seine gesamte freie Zeit in der Woche fest nach der Ausstrahlung von Fernsehserien wie“Lindenstraße“ und „Tatort“ oder „Sportschau“ einteilt, weiß der andere, dass  zu diesen Zeiten kein anderes Programm angesehen wrden kann und dass der Partner dann auch nicht für andere Dinge verfügbar ist. Solange noch offene Unterschiede bei den geschmacklichen Vorlieben bei den Lebenpartnern festzustellen sind, bemühen sich üblicherweise beide immer wieder, sie in ihrem Sinne einzuebnen.

Früher mehr als heute versuchen Partner oder der eine oder der anedere von ihnen, dafür zu sorgen, dass sie mit dem anderen soviel wie möglich gemeinsam tun.  Getrenntes Ausgehen (oft sogar das Einkaufen) ist verpönt. Einseitige Hobbies auch. Getrennt in Urlaub zu fahren, ist der halbe Seitensprung. Der Zwang zur Gemeinschaftlichkeit geht bei ihnen so weit, dass sie selbst dann keine getrennten Betten und Schlafzimmer haben, wenn einer von ihnen unruhig schläft oder gar die ganze Nacht hindurch schnarcht.

Für die, die nie gelernt haben, allein zurecht zu kommen, die weder wissen, was sie zu Kochen brauchen noch kochen können, die ihre Kleidergrößen nicht kennen oder nicht wissen, wie man eine Überweisung vom Konto tätigt und die Versicherung kündigt, weil das immer des Partner getan hat, ist die Existenz des Partners unverzichtbar. Der Lebensunfertige sieht einen Segen in der Hilfe durch den anderen. Die ständige Verfügbarkeit des anderen ist aber auch ein Fluch, weil sie den Hilfebedürftigen abhängig macht.

Im Sinne einer klugen Lebensgestaltung gilt es, solche Abhängigkeiten abzubauen oder gar nicht entstehen zu lassen. Menschen, die unabhängi voneinander sind, können sich frei von Gleich zu Gleich begegnen. In ihren Augen ist keine Gemeinschaft besser als eine schlechte. In der traditionellen ehelichen Lebensgemeinschaft, in der die Partner sich für ihr Leben binden sollten, gibt es eine solche Freiheit nicht. Da beginnt in Fortschreibung der Bemerkung des Rabbiners das Leben endgültig erst, wenn nicht nur die Kinder aus dem Haus sind und der Hund tot ist, sondern auch der Ehepartner gegangen ist. Dann erst braucht sich der Einzelne nicht mehr bei allem seinen Tun und Denken zu fregen, was denn wohl sein Lebensgefährte dazu sagen würde.

Unbestreitbar ist, dass man manches gemeinsam erfolgreicher anghen kann als allein. Eine Kette vermag mehr zu leisten als ihre einzelnen Glieder. Da eine Kette aber immer am schwächsten Glied reißt, hängt jede Leistung von der Stärke jedes Teils ab. Stellen Sie sich eine Kette vor, die ein Schiff ziehen soll, deren einzelne Glieder sich aber darum streiten, welches von ihnen denn schöner und wertvoller ist! Die Verbindung der Glieder schafft eben nur die äußere Form einer Gemeinschaft, ihre Leistung hängt ab von der Einigkeit unter ihnen. Da ist es wie beim Korb voller Äpfel, bei denen die ganze Lage verdirbt, wenn nur ein Apfel faul ist; besser man trennt sich vom schlechten.