Richtig Essen

GfE- Gesellschaft für richtiges Essen und Lebensgestaltung e.V.

Selbststeuerung und Autosuggestion

Erstellt von r.ehlers am Donnerstag 25. August 2016

Blessing-Verlag, 2016, 19,99 €

Ich berichte über das neue Buch von Professor Dr. Joachim Bauer nicht, um Ihnen kritklos seine Lektüre zu empfehlen. Tatsache ist, dass der vielseitig informierte Autor, Mikrobiologe, Arzt, Psychotherapeut und Direktor des Instituts für Psychosomatische Medizin and der Universität Freiburg, in großer Breite sehr viele wertvolle Einsichten über die Bedingungen eines gesunden Lebens und die Möglichkeiten der Verbesserung des Gesundheitssystems vermittelt.

Insbesondere gefällt mir Bauers Appell für eine „sprechende Medizin“. Diese Medizin, die den Menschen als Einheit behandelt, soll die Behandlung einzelner Organe und die Verschreibung von Medikamenten natürlich nicht einfach ablösen. Die Medizin muss aber erkennen,  dass Seele und Körper immer und überall zusammenwirken . Wenn der Arzt nur Krankheiten behandelt und sich nicht den von Krankheit betroffenen Menschen als Personen mit Gefühl und Verstand, geht sie an ihren größten Möglichkeiten zu ihrer wirksamen Hilfe vorbei.

Natürlich bin ich auch ganz Bauers Meinung, dass wir kein gutes Leben haben und auch nicht gesund bleiben können, wenn wir nicht lernen, uns selbst auf die richtige Schiene zu bringen, also insbesondere uns klug ernähren und unseren Körper durch regelmäßige Bewegung in Schuss zu halten.

Aber können wir wirklich lernen, uns so selbst zu steuern, dass wir ganz nach unserem freien Willen handeln können?

Meiner Kritik voranstellen will ich die Lesermeinung von Kalle Blomquist (Anonym nach der Kinderbuchfigur) bei Amazon, die den zentralen Fehler des Buches richtig hervorhebt:

am 15. April 2015
„Wie auch schon im Falle seines Buches „Prinzip Menschlichkeit: Warum wir von Natur aus kooperieren“ zeichnet sich der Autor auch in diesem Werk dadurch aus, dass er die von ihm aufs Korn genommene Theorie bzw. Hypothese offenbar kaum verstanden hat. Seine Argumente widerlegen keineswegs die These, dass es keinen „freien Willen“ im klassischen Sinne gibt. Die Begeisterung für das Buch (z.B. bei den zuständigen Redaktionen des NDR, SWR, …) lässt sich wohl hauptsächlich darauf zurückführen, dass wir Autoren applaudieren, wenn sie Dinge schreiben, die unserem Selbstbild schmeicheln.
Die nicht nur von Wolf Singer und Gerhard Roth, sondern von nahezu allen führenden Hirnforschern (zu denen Joachim Bauer nicht zählt) vertretene Negation des freien Willens beruht selbstverständlich nicht nur auf dem klassischen Experiment von Benjamin Libet. Dieses steht heute in einem riesigen neurowissenschaftlichen Forschungskontext, der die ersten Studien von 1979 mittlerweile in weiten Teilen bestätigt hat.
Abgesehen davon ist vielen Philosophen schon vor langer Zeit aufgefallen, dass der „freie“ Wille (frei wovon denn? Von Gründen, Motivationen, Bedürfnissen, Erfahrungen?) in einer Welt der Kausalität (identische Ursachen rufen identische Wirkungen hervor) ein seltsames Wunder wäre.
Arthur Schopenhauer (sinngemäß): „Ich kann tun, was ich will, aber ich kann nicht wollen, was ich will.“ (Unterscheidung: Handlungsfreiheit vs. Willensfreiheit)
Baruch de Spinoza: „Wer also glaubt, dass er nach freiem Entschluss des Geistes rede oder schweige oder irgendwas tue, der träumt mit offenen Augen.“
Albert Einstein: „Unser Handeln sei getragen von dem stets lebendigen Bewusstsein, dass die Menschen in ihrem Denken, Fühlen und Tun nicht frei sind, sondern ebenso kausal gebunden wie die Gestirne in ihren Bewegungen.“

Mancher Leser wird sich fragen,warum gerade ich als gelernter Jurist, der sich 2000 entsdchloss, sich anderen Fächern zuzuwenden, auf den Spruch hinweisen muss: „Schuster bleib bei Deinem Leisten!“  Wer sich auf fremdes Terrain vorwagt, ist aber aufgefordert, sich besonders grpndlich einzuarbeiten. Im vorliegenden Fall hält der kritische Leser bei Amazon dem Autor zu Recht vor, dass er nicht mit ein, zwei Gedankengängen von Jürgen Habermas dieganze Philosophie über den Haufen werfen kann, die sich seit Jahrtzausenden akribisch auf der Suche nach dem freien Willen befindet, ihn aber nie gefunden hat.

Die Vorstellung von einem freien Willen  geht über die naturgegebenen Grenzen der möglichen Erkenntnis des Menschen ebenso hinaus wie die Vorstellung von einer jenseitigen Welt. Das heißt aber nicht, dass es nicht aus Gründen praktischer Lebensphilosophie unerlässlich ist, dass wir lernen, mit Hilfe unseres Geistes indirekt Einfluss auf unseren Willen und unser Verhalten zu gewinnen. Der beste Weg dahin ist m.E. die Autosuggestion, über die ich schon oft geschrieben habe, s. http://www.essenspausen.com/autogenes-training-ist-weder-yoga-noch-hypnoseselbsthypnose/.

Joachim Bauer kommt tatsächlich nach seinem Ausflug in die Philosophie wieder zurück auf den Boden der Realität. Seine Erklärung, dass jede Krankheit besser beherrschbar ist, wenn der Patient (wieder) mehr Selbststeuerung gewinnt, entspricht der Erfahrung wohl aller ernsthaften Therapeuten und der Lebenserfahrung von uns allen. Das ist praktische Lebenphilosphie, gestützt durch konkrete Ergebnisse aus der Medizin. Ganz in diesem Sinnne wurde konkret wissenschaftlich ermittelt, dass Mutlosigkeit bei Patienten zu einer Schwächung des Immunsystems führt. Da, wie Bauer richtig schreibt, die Grundstörung im menschlichen Körper die Entzündung ist. Stressbotenstoffe wie Cortisol und Adrenalin gewinnen die Oberhand, Stresssenker wie Serotonin und GABA treten zurück.

Entsprechend seiner Erkenntnis, dass unser Gehirn aus Biologie Psychologie und umgekehrt macht, wirken niederreißende Erlebnisse materiell nachteilig auf das Gehirn ein. Bauer hat da eigene hoch interessante Erklärungen dafür, dass es heute so viele gestresste Lehrer gibt, die übermäßig oft in den vorgezogenen Ruhestand gehen. Aber er arbeitet mit der Unterstützung der Baden-Württembergischen Landesregierung erfolgreich an einem Programm, die von der Aggression der Schüler gestressten Lehrer in Schulungen dazu zu bringen, sich ganz auf die Schüler als Personen einzulassen und nicht der Übertragung der Lerninhalte zu viel Beachtung zu schenken. Auch das kann man nicht einfach so vorschalgen und es dem angeblich freien Willen der Lehrer überlassen, das zu tun, was richtig ist. Sie müssen lernen,die Änderung in ihrem Innern gefühlsmäßig zu akzeptieren und zu verankern.