Richtig Essen

GfE- Gesellschaft für richtiges Essen und Lebensgestaltung e.V.

Licht im Ohr gegen Depressionen?

Erstellt von r.ehlers am Mittwoch 13. November 2013

Sachbezug: Depression, Winterdepression, Lichtmangel, Serotoninaufbau

Es wird mal wieder mit verlogenen Angaben für ein Medizingerät getrommelt. Das Fernsehen berichtet und bei Amazon ist das Zeugs auch zu kaufen. Die gesetzlichen Kontrollen in unserem Gesundheitswesen greifen mal wieder nicht.

 

Würden Sie es für möglich halten, dass die zuständige Staatsanwaltschaft auf meinen Vorstoß mit dem Beitrag

http://www.essenspausen.com/strafbare-diaetluegen-ohne-ende/

ablehnend reagiert hat? Dabei ging es um Biomagnete am Ohr, die angeblich abnehmen ließen. Ich wurde beschieden mit der Erklärung, dass die Staatsanwaltschaft beweisen müsse, dass die Magnete nicht die behauptete Wirkung hätten. Ich war perplex. War ich nach der Beendigung meiner praktischen juristischen Tätigkeit inzwischen schon so weit weg von Gut und Böse, dass ich nicht verstand, dass der Rechtsgrundsatz des  „im Zweifel für den Angeklagten“ (in dubio pro reo) auch für die Anbieter von medizinischen Gerätschaften gilt?

Jetzt kommt es aber noch dreister:

In der Sendung Taff berichtete Pro 7 am 11.11.2013 um 17.55 Uhr (nicht um 11 Uhr 11!)  unter der Überschrift

Lichtblicke gegen die Winterdepression :

„Draußen ist es nass und kalt. Ja, da hat man wenig Lust sich aus dem Bett zu quälen. Für alle, die der Herbst Blues voll im Griff hat gibt es jetzt Abhilfe: Die mobile Lichttherapie Valkee. Sieht aus wie ein MP3 Player, sendet statt Musik aber Licht – und zwar direkt ins Gehirn. Schon 12 Minuten täglich sollen die trübe Stimmung vertreiben.“

http://www.prosieben.de/tv/taff/themen/zusatzinfos-und-linktipps/taff-trend-vom-11-11

Valkee, das in Finnland hergestellt wird, ist u.a. bei Amazon für lumpige 149 € (statt  satte 189 €) zu kaufen und wird wie folgt beworben:

Produktbeschreibungen:

Die neueste Innovation in der Lichttherapie – nicht größer als ein MP3-Player!

Mit Valkee erhalten Sie ein Gerät, das mit seiner erstaunlichen Funktionsweise nachweislich Winterdepressionen vorbeugt und das im Format eines herkömmlichen Mp3-Wiedergabegeräts!

Wirkungsprinzip:

Durch neueste Studien wurde belegt, dass nicht nur das Auge, sondern auch das Gehirn selbst auf Licht reagiert. So kann durch eine direkte Lichttherapie über das Ohr Einfluss auf die „saisonale affektive Depression“ (SAD) ausgeübt werden, als Ergebnis der Studien erreichten 92% der winterdepressiven Testpersonen eine weitgehende Befreiung von den Symptomen. Zu diesen gehören Müdigkeit, Ängstlichkeit, Einschränkungen in der Wahrnehmung, Schlafprobleme und unkontrolliertes Essverhalten. Das Verfahren bewirkt eine Stimulation bestimmter Fotorezeptoren, die für den Haushalt der Botenstoffe Serotonin, Melatonin und Dopamin verantwortlich sind. Diese wiederum regulieren wichtige Gehirnfunktionen wie die Signalübertragung der Nervenzellen, den Schlafrhythmus und das Ausschütten von Glückshormonen.

Anwendung:

Das Licht wird wie der Schall bei Kopfhörern ins Ohr geleitet, dort ist die Schädeldecke am dünnsten und das Licht kann am besten seine Wirkung entfalten. Durch die gezielten Anwendungen sind 6-12 Minuten pro Tag für spürbare Ergebnisse völlig ausreichend.

Modisches Design:

Die kompakte Bauweise und das ansprechende Design machen Valkee genauso unauffällig wie wirkungsvoll, es kann ganz dezent wie ein herkömmlicher Mp3-Player am Körper oder in der Handtasche getragen werden.“

http://www.amazon.de/Valkee-NPT-1100-Tageslicht-Headset-Wei%C3%9F/dp/B006SNYCGQ

Das mit den 92 Probanden ist übrigens ganz einfach aus den Fingern gesogen!

Die Wahrheit ist: Belegt wurde, dass finnische Forscher in einer einzigen Studie mitgeteilt haben, dass die Ausstrahlung hellen Lichts durch den Ohrkanal in Richtung auf das Trommelfell nachweislich Reaktionen im Gehirn erzeuge („Stimulating brain tissue with bright light alters functional connectivity in brain at the resting state“)

http://www.scirp.org/journal/PaperInformation.aspx?paperID=19417

Welches die Wirkungen aber sind, besonders nicht, dass das Licht im Ohr Depressionen vertreibe, wird in dieser Studie nicht behauptet.

Schon 2012 – wieder rechtzeitig vor Beginn der Wintersaison – war das Valkee-Licht im Ohr schon einmal ein Thema gewesen. Damals berichtete die Wirtschaftswoche der Wahrheit zuwider, dass durch die genannte finnische Studie die Verbesserung der Stimmung der Probanden bewiesen worden sei.

http://www.wiwo.de/erfolg/trends/neue-studie-licht-im-ohr-hilft-gegen-depressionen/6690390.html

Den Finger in die Wunde legte damals bereits mit überzeugender Darlegung der Physiker und Journalist Ulrich Pontes  in seinem lesenswerten Beitrag „Licht-Walkman gegen Depression?“ auf den Seiten der gemeinnützigen Neurowissenschaftlichen Gesellschaft e.V. aus Berlin:

http://dasgehirn.info/entdecken/kommunikation-der-zellen/neurotransmitter-2013-botenmolekuele-im-gehirn-5880?searchterm=Serotonin+Ern%C3%A4hrung

 

Eine Klarstellung zum Schluss:

Unabhängig von den verlogenen Behauptungen, dass eine stimmungsaufhellende Wirkung von Licht im Ohr bewiesen sei, ist Licht ist aber weithin als eine wirksame Therapie zur Behandlung von jahreszeitlich bedingter Depression anerkannt. Die klinische Wirksamkeit der Tageslichttherapie, wobei das Licht natürlich durch das Auge eingestrahlt wird, hängt dabei ab von den lichtempfindlichen Proteinen auf der Netzhaut des Auges,  gefunden. Wenn die finnischen Forscher solche Proteine auch sonstwo im Gehirn gefunden haben, heißt das aber doch nicht, dass damit dieselben Wirkzusammenhänge angesprochen werden wie bei der Aufnahme des Lichts über den Sehnerv ,die von dort erfolgende Weitergabe an das Wahrnehmungszentrum des Gehirns und die Aktivierung des Wahrnehmungskontrollhormons Serotonin.

Dass die lange winterliche Dunkelheit im hohen Norden einen nachteiligen Einfluss auf das Wohlbefinden, die Lebensstimmung und die Empfänglichkeit für suizidale Attacken hat, ist unschwer an der globalen Statistik des Vorkommens von Winterdepression, Depression, Burnout und Suiziden abzulesen. Wie genau und in welchem Maße das Licht den Aufbau des Botenstoffes Serotonin anstößt, ist allerdings nicht erschöpfend überprüft.