Richtig Essen

GfE- Gesellschaft für richtiges Essen und Lebensgestaltung e.V.

Warum ist unter allen Hormonen gerade Serotonin das große Problem?

Erstellt von r.ehlers am Donnerstag 6. Dezember 2012

 

Gleich im ersten Beitrag auf dieser Homepage habe ich herausgestellt, dass der Neurotransmitter Serotonin – das Schlüsselhormon – eine solche Aufgabenfülle hat wie die ganze Summe der anderen zentralnervös benötigten Botenstoffe zusammen und dass Serotonin zudem als Modulationshormon deren Einsatz steuert.

http://www.essenspausen.com/das-unglaubliche-serotonin/

Aber das ist doch kein Grund, sich mit den Bedingungen seines Aufbaus eingehend zu befassen! Viele Dinge im Leben sind unendlich wichtig. Denken Sie nur an das Atmen. Wenn sie doch von selbst gut funktionieren, müssen wir uns damit gar nicht beschäftigen.

Genau da liegt der Hase im Pfeffer! Der Botenstoff Serotonin, den wir nicht essen können, und der sich als Gewebshormon im Körper (Verdauungsapparat, Blutplättchen, Lungenbläschen) regelmäßig problemlos bildet, findet sich im Gehirn, wo er als Botenstoff ganz besonders dringend gebraucht wird, bei vielen Menschen nicht ausreichend ein.  Das kann lästig sein, indem es uns die Lebensstimmung verhagelt („Wohlfühlhormon“),  es kann aber den Ablauf der natürlichen Esskontrolle, der Schmerzkontrolle, der Wach- und Schlafkontrolle, der Stresskontrolle  und vieler anderer wichtigen zentralnervösen Vorgänge mehr erheblich stören.

Aber warum ist das denn so? Wir müssen uns so nehmen, wie die Natur uns geschaffen hat, also auch mit den von ihr vorbereiteten Wegen zum Aufbau von Serotonin. Die Natur hat mit dem Menschen ein Säugetier geschaffen, das in der Zeit seiner Entwicklung nicht so lebte wie wir heute. Der Mensch und seine evolutionären Vorläufer fing an mit dem Schwerpunkt seiner Nahrung  bei der Pflanzenkost.  Da wir das feuer nicht beherrschten, war unsere Nahrung roh und daher  zwangsläufig mit ausreichend Nahrungsenzymen versehen. Wir hatten auch – wie die Menschenaffen immer noch – viel größere Mahlzähne und einen größeren Beißdruck, weshalb wir die rohe Pflanzennahrung komplett mechanisch verkleinerten und nicht wie heute üblich einfach hinunterschlangen. Wir aßen auch nicht kontinuierlich. Unsere Entwicklung vollzog sich in einer langen Zeit, in der wir uns – ständig bedroht von mächtigen Beutegreifern –  immer sehr darum bemühen mussten, unsere Nahrung zusammenzutragen. Daher waren lange Essenspausen und die Nahrungsaufnahme auf leeren Magen die Regel. All das bedeutet, dass wir unsere Nahrung immer wieder so verzehrten, dass sie ohne Aufenthalt  im Magen direkt den Dünndarm erreichte – und dort ein starkes Verstoffwechslungssignal erzeugte, das die zentralnervöse Produktion des Esskontrollhormons Serotonin auslöste.

Zudem hat die Natur uns als eine der Folgen des aufrechten Gangs zu den ausdauerndsten Laufwundern in der Tierwelt gemacht. Die körpereigene Herstellung des Belastungskontrollhormons Serotonin ist sicher so alt wie der aufrechte Gang. Die afrikanischen Buschmänner zeigen mit ihren ausgedehnten Jagden heute noch die besondere Belastung, die die Beschaffung fleischlicher Nahrung erforderte, bevor die Menschen vor gar nicht so langer Zeit Tiere domestizierten und ihre Milch und ihr Fleisch verzehren konnten. Das „Runners High“ ist also sicher eine steinalte Erfindung. Ohne den modernen Langlaufsport hätten wir das aber wohl nie verstanden.

Die Frage warum das alles so ist, ist damit natürlich nicht beantwortet. Wir können nur mutmaßen, warum sich Serotonin nicht nach dem Verzehr aller seiner Bausteine überall im Körper und auch im Gehirn jederzeit dann bildet, wenn es gebraucht wird. Tatsächlich ist der Botenstoff Serotonin ein so unglaublich potenter Steuerstoff, dass es uns übel erginge, wenn er im Übermaß im Gehirn vorhanden wäre. Denken Sie nur an die „Kokser“, die mit dem Kokain auf einen Schlag alle Reserven an Serotonin locker machen, damit sie einen mächtigen Schub an Dopamin bekommen.Das liegt an der von der Endokrinologie ermittelten „dualen Beziehung“ der beiden Hormone, die man schon kannte, bevor man entdeckte, dass es Wechsebezüglichkeine zwischen Serotonin und der Fülle auch der anderen Botenstoffe imGehirn gibt. Erst die Lockung von Dopamin über Serotonin führt also  den rauschhaften Zustand herbei. Die Kehrseite der Medaille liegt in der völligen Depletion von Serotonin durch den Kokaingenuss. Es leigt am Fehlen von Serotonin, dass sich der Mensch nach dem Dopaminrausch so elend fühlt. Übrigens wird Serotonin auch stark verbraucht durch Alkohol und Nikotin, was sich durch den „Kater“ am Morgen danach bemerkbar macht.

Serotonin sorgt nicht für heftige Glücksgefühle, sondern schafft ein jederzeit kontrolliertes  Wohlbefinden. Gleich wie die Evolution das geschafft hat, ist es einfach so, dass unsere Natur einen Stoff kennt, der den Botenstoff Serotonin in unserem Hirn regelrecht rationiert. Dies ist sein Hauptbaustein, die essenzielle Aminosäure L-Tryptophan, die sich nur durch einen besonderen starken Reiz durch die Blut-Hirn-Schranke in die Nährlösung des Gehirns (den Liquor) locken lässt,  und die dann den Weg hinein aber nicht schafft, wenn andere Aminosäuren dort anstehen und dieselben Transportsysteme ins Gehirn für sich beanspruchen.

Die Lösung dieses auf erste Sicht sehr komplizierten Rätsels, ist gar nicht so schwierig, wenn man sie einmal kennt: In einer Zeit, in der keine konkurrierenden Aminosäuren an der Blut-Hirn-Schranke anstehen, muss der besondere Lockruf nach Serotonin erzeugt werden. Das geschieht durch den nüchternen Verzehr  nativer Kost auf leeren Magen und Darm, was auch eine freie Blutbahn bedeutet. Ich gehe fest davon aus, dass in genau dieser Situation nicht gerade L-Tryptophan neu zugeführt werden muss. Unsere Körperzellen speichern nämlich für längere Zeiträume die Aminosäuren und geben sie dann ins System, sobald eine Chemotaxis ihre Wanderung durch den Körper verlangt. Wäre dem nicht so, gäbe es das Phänomen des „Runners High“ nicht. Dann wäre auch der gute Rat des sportbegeisterten Ernährungsexperten Dr. Ulrich Strunz wertlos, doch einmal seinen morgendlichen Frühsport vor dem Frühstück, also auf leeren Magen, auszuüben.