Richtig Essen

GfE- Gesellschaft für richtiges Essen und Lebensgestaltung e.V.

Native Kost und Serotonin sind keine Arznei.

Erstellt von r.ehlers am Sonntag 4. Mai 2014

Im kurzen Beitrag

http://www.essenspausen.com/apropos-nahrungsmittel-sind-keine-heilmittel/

habe ich hervorgehoben, dass Nahrung keine Medizin ist. Nach dem berühmten Spruch des Hippokrates, dass Nahrung unsere Medizin sein soll und Medizin unsere Nahrung, kann man schon zweifeln, was was ist.  Was  ist wirklich im Einzelnen Nahrung und was ist Medizin? Dazu kommen weitere Fragen.

Die ganz natürlich aus den in der Nahrung enthaltenen Mikronährstoffen im Körper erzeugten hochwirksamen Substanzen, insbesondere die Hormone und Botenstoffe,  sind zweifellos keine Arzneimittel, wie es auch die Lebensmittel nicht sein können, die die Bausteine für den Aufbau der Botenstoffe enthalten.  Ist die Aminosäure Tryptophan  aber dann  ein Heilmittel, wenn sie bewusst „eingenommen“ wird, weil sie der Hauptbaustein des vom Körper selbst aufzubauenden Botenstoffes Serotonin ist? Ist dann sogar Serotonin selbst eine Arznei? Es gibt ja immer noch Experten, die behaupten, der Botenstoff wäre in manchen Lebensmitteln wie Bananen?

 

Der Gesetzgeber, der ja alle  Interessen unter  einen Hut bringen muss, hat die Abgrenzung von Lebens- und Arzneimitteln leider maßlos verkompliziert. Aber natürlich hat er das Recht zur Legaldefinition. Wir kommen an seinen Entscheidungen daher nicht vorbei, obwohl wir auch  Sprachbegriffe von Medizin und Nahrung kennen, die eine bessere Abgrenzung nahe legen.

Der  Gesetzgeber definiert Arzneimittel im Arzneimittelgesetz (AMG), Lebensmittel im Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermttelgesetzbuch  (LFGB / LMBG) und  Nahrungsergänzungsmittel  in der Nahrungsergänzungsverordnung (NemV)). Die EU gibt zudem in ihrer Richtlinie 2001/83/EG  die Auslegungsregel vor, dass  in Zweifelsfällen Arzneimittelrecht anzuwenden ist.

Nach diesen Regeln sind Zweifelsfälle vorprogrammiert, weil nach dem Gesetz als Arzneimittel einzustufen sind:

  •  sowohl Produkte, die zum Zweck der Heilung oder Krankheitsverhütung angewendet werden bzw. angewendet werden sollen, losgelöst von einer tatsächlichen Wirkung,
  • wie auch Produkte, die keinen Heilanspruch erheben, aber aufgrund ihrer speziellen Zusammensetzung eine heilende Wirkung entfalten.

Diese Formeln werfen Fragen über Fragen auf:

  • Sind Tees, Kräuter, Obst und Gemüse, die ich in der Absicht der Heilung von Krankheiten esse oder nur zur Prävention gegen sie zu mir nehme, wirklich Arzneimittel?
  • Sind Stoffe, die ich in Unkenntnis ihrer präventiven und heilenden Wirkungen zum Zwecke der Ernährung aufnehme, tatscählich auch Arzneimittel? Was bedeutet es, dass sie „speziell zusammengesetzt“ sein müssen?

Ganz offensichtlich hat der Gesetzgeber nicht wie weiland Luther „dem Volk aufs Maul geschaut“, weil unser gesunder Sprachverstand die Abgrenzung ganz anders sieht. Ich versuche einmal selbst zu definieren, was ich an Begriffsinhalten  in der Sprache vorfinde:

 

Sprachlich gesehen sind Produkte, die der Vorbeugung gegen Krankheiten oder ihrer Heilung dienen oder auch nur dienen sollen, Arzneimittel. Sie sind aber dann keine Arzneimittel, sondern Lebensmittel, wenn sie solche Wirkungen  automatisch als Teil ihrer Aufgabe zur Ernährung des Menschen haben.

Die Begriffe überschneiden sich also. Ein konsumierbarer Stoff, der gesundheitlich wirkt oder wirken soll, ist eine Medizin – außer dass es sich nur um seine Wirkungen im Interesse der Ernährung handelt.

Gesundheits- und krankheitsbezogene Wirkungen von der Ernährung dienenden Lebensmitteln, die sich  naturgesetzlich aus ihrer Verwertung im Körper ergeben, können durchaus denen von Arzneimitteln ähneln. Sie sind aber in ihren Wirkungen programmatisch durch die Regeln der Natur begrenzt, während Arzneimittel ihre Wirkungen auch ganz an den Gesetzen der Natur vorbei erzeugen können (und es leider oft auch tun). Dafür greifen Arzneimittel regelmäßig gezielt in einzelne Wirkzusammenhänge bzw. Symptome  ein, während Lebensmittel auf eine ganz umfassende Weise auf die Gesundheit des Menschen Einfluss nehmen.

Die Feststellung im Titel dieses Beitrages, dass native Kost und  Serotonin keine Arzneimittel sind, findet sich in meiner Definition bestätigt. Dabei ist es unabhängig, ob die native Kost mit der Behauptung gesundheitlicher Vorteile beworben wird oder nicht. Ob solche Werbung erlaubt ist, ist eine Frage der lebensmittelrechtlichen Zulässigkeit von Wirkbehauptungen (Health Claims), s.u.. Native Kost ist eben nichts als schlichte Nahrung, die nur getrocknet und gemahlen ist. Dass sie auf leeren Magen verzehrt wird, macht sie  nicht zur Arznei, aber  auch nicht, dass sie den Körper mit gut ausnutzbaren Nähr- und Vitalstoffen versorgt und den Anstoß zum körpereigenen Aufbau des Wohlfühlhormons Serortonin gibt.

Der Gesetzgeber ist strenger. Diese Feststellung, dass native Kost und Serotonin keine Arzneimittel sind, wird von der  gesetzlichen Definition nur mitgetragen, wenn die native Kost keinen  Heilanspruch erhebt. Die native Kost kann nicht für sich sprechen. Entscheidend ist, dass der Anbieter der nativen Kost nicht Heilwirkungen behauptet.  Darüber, dass Heilwirkungen von Dritten diskutiert werden und vieles für ihren regelmäßigen Eintritt spricht, kommt es nicht an. Zudem darf, soweit wirkliche Heilwirkungen eintreten, dies nicht einer vom Hersteller vorgenommenen  speziellen Zusammensetzung geschuldet sein. Damit kann nicht gemeint sein die Komposition der natürlichen Lebensmitelzutaten und auch nicht ihre in der mechanischen Verarbeitung gewählten Konsistenzen. Allein durch Kochen, Backen, Braten, Tocknen und Zerkleinern mache ich aus landläufigen Lebensmitteln keine Arzneimittel.

Eine solche „spezielle Zusammensetzung“ ist beispielsweise gegeben bei Tryptophan-Tabletten und Trinkampullen, weil sie den Hauptbaustein für die Serotoninsynthese, die Aminosäure Tryptophan,  in  aus tryptophanhaltigen Pflanzen extrahieren und in konzentrierter Form anbieten. Sie sind Arzneimittel, weil sie den Eintritt heilsamer physiologischer Wirkungen zumindest beabsichtigen oder gar behaupten. Dass sie sie in der Realität so nie und nimmer erreichen können, habe ich wiederholt erläutert, s. http://www.essenspausen.com/tryptophan-irrtum-und-abzocke/.

Bleibt nach der gesetzlichen Definition die Bedingung, dass die native Kost tatsächlich keinen Heilanspruch erhebt. Ob sie das allerdings tut oder nicht, hängt wie gesagt, vom Hersteller und Vertreiber ab. Wenn dieser „seine“  native Kost allerdings  mit folgender Erklärung anbietet:

„Vitalkost nach dem Aminas Prinzip, Rohkost empfohlen bei Stärkung des Immunsystems, Darmflora aufbauen, Verdauung anregen, Einschlafprobleme, Einschlafstörungen, Schlaflosigkeit, Durchschlafstörungen“

steckt er bis zum Hals in Problemen.  Nach meiner persönlichen Meinung unterfällt richtig aufgebaute und verzehrte native Kost selbst angesichts so weitgehender Heilversprechen  nicht dem Arzneimittelbegriff, weil sie diese Wirkungen automatisch als natürliche Folge des Verzehrs haben. Auf meine Meinung kommt es aber nicht an. Das Gesetz sieht das  anders, weil da der Hersteller und Vertreiber ihre Nahrung „nach dem Aminas Prinzip“ zum Zwecke der Heilung oder Krankheitsverhütung anpreisen. Zugleich verstoßen sie natürlich auch gegen die Health Claims Verordnung.

Ob es den Anbietern auf Dauer wirklich hilft, dass sie ihren Sitz im Ausland haben und die nicht erlaubten Wirkbehauptungen „nur“ im Internet verbreiten? Diese Verstöße gegen das Lebensmittel- und das Arzneimittelrecht sind nicht nur gesetzwidrig, sie stehen auch unter einer nicht geringen Strafandrohung. Ich jedenfalls habe wiederholt öffentlich darauf hingewiesen, dass es im heutigen Paragraphengewirr nicht leicht ist, legal und ehrlich zu werben, s. http://www.essenspausen.com/warum-hersteller-nativer-kost-nicht-richtig-werben/