Richtig Essen

GfE- Gesellschaft für richtiges Essen und Lebensgestaltung e.V.

Kohlenhydrate besser verstehen

Erstellt von r.ehlers am Mittwoch 22. Juni 2016

Wenn die Experten über Kohlenhydrate reden, gehen Sie immer davon aus, dass die Zuhörer schon wissen, worum es sich dabei handelt. Wenn ich aber verfolge, was sie zu kohlenhydratarmer oder gar kohlenhydratfreier Ernährung sagen, also zu ketogener Ernährung und zu den Hypes „Low Carb“ und „No Carb“, muss ich feststellen, dass in ihrer Begriffswelt eine ziemliche Verwirrung besteht. Kohlenhydrate heißen in der Wissenschaft Saccharide, worunter Laien gern Zuckerstoffe  verstehen, obwohl einige wichtige Gruppen der Saccharide weder essbar sind noch süß schmecken.  

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Die Begriffsverwirrung zieht sich hinein bis in die Erklärungen über das Wesen und die Wirkung von Glykonährstoffen. Die Klarstellung muss ansetzen bei den Grundbegriffen der Wissenschaft von den Kohlenhydraten, der Glykobiologie.

Den Begriff sollte man sich merken, denn mit ihm wird bereits verständlich, dass Glykonährstoffe nichts anderes sind als die Nährstoffe aus der Stoffklasse der Kohlenhydrate/Saccharide – und zwar alle, ob sie nur mit der Nahrung in den Körper kommen können, also essenziell sind, oder ob wir Menschen sie aus Nahrungsbestandteilen selbst aufbauen können. Ich komme auf diesen besonderen Punkt ganz am Ende des Beitrags zurück.

Klar ist, dass Gegenstand der Glykobiologie auch Kohlenhydrate sind, die keine Nährstoffe sind. Dies sind hauptsächlich die für uns nicht verstoffwechselbaren Polysaccharide (Vielfachzucker) Cellulose und Chitin.  Eine besondere Rolle bei der Ernährung spielt die pflanzliche Stärke, auch ein Vielfachzucker, den wir aber enzymatisch in verwertbare Zweifachzucker (Disaccharide) aufspalten können. Die Disaccharide spalten wir natürlich im Körper auch noch in Monosaccharide auf, weil wir am Ende nur einfache Zuckermoleküle verwerten können.

Auch der von uns selbst in unserer Leber, den Nieren und unseren Muskelzellen  aus dem Einfachzucker Glukose aufgebaute Speicherstoff Glykogen ist ein Polysaccharid, aus dem wir bequem nach Bedarf die wichtige Glukose rückgewinnen können.

Die Rolle, die bei Gewebetieren mit dem Collagen für die Struktur des ganzen Körpers von Eiweißen übernommen wird, liegt bei den Pflanzen bei der den Kohlenhydraten Cellulose und bei den Pilzen beim Kohlenhydrat Chitin.

Danach ist festzuhalten:

Nicht alle  Kohlenhydrate sind Zucker, alle Zucker aber sind  Kohlenhydrate.

 

 Drei Zuckerarten

Es gibt, wie gesagt,  drei Zuckergruppen: Einfachzucker, Zweifachzucker und Vielfachzucker.

In der Natur, d.h. in allen unseren Lebensmitteln kommt nur Vielfachzucker vor. Er findet sich in Mengen nur in der Stärke aus pflanzlichen Lebensmitteln, aus der wir sie durch die körpereigene Aufspaltung gewinnen. Im Körper verwerten können wir nur die sich aus der Teilung der Mehrfachzucker stammenden einfachen Zuckermoleküle.

Einfachzucker

Der wichtigste Zucker ist die Glukose, unser Hauptbrennstoff im ganzen Körper. Besonders das Gehirn ist auf seine stetige Zufuhr angewiesen. Traubenzucker und Dextrose sind nur andere Namen für diesen Stoff.

Einfachzucker gehen sehr schnell ins Blut, weswegen Menschen, die aktuell vor starker körperlicher oder geistiger Inanspruchnahme stehen, gern zu Traubenzucker (z.B. Dextro-Energen) greifen. Sein Verzehr ist aber nicht unproblematisch, weil er den Blutzuckerspiegel schnell in die Höhe treibt und danach schnell wieder abfallen lässt.

Ein weiterer Einfachzucker ist die Fructose, der Fruchtzucker. Er ist Bestandteil von Obst und sorgt für seine natürliche Süße. Menschen mit einer Fructoseintoleranz vertragen diesen Zucker nicht. Fructose treibt den Blutzuckerspiegel langsamer hoch als Glukose, wird vom Körper aber schneller in Körperfett umgeeandelt. Wegen der fehlenden Insulinausschüttung tritt auch eine geringere Sättigung ein, 

Zweifachzucker

Werden mehrere Einfachzucker miteinander kombiniert, erhält man komplexe Zuckermoleküle, die vom Körper erst aufgespalten werden müssen, um die Energie nutzen zu können. Die bekanntesten sind:

  • Malzzucker oder Maltose, bestehend aus zwei Glucosemolekülen. Er findet sich vor allem in Bier, Kartoffeln und Nudeln.
  • Der Zuckerstandard ist der Haushalts- oder Industriezucker. Er besteht aus je einem Molekül Fructose und einem Molekül Glucose. Sein chemischer Name lautet Saccharose, doch da er aus Zuckerrohr oder Zuckerrüben gewonnen wird, wird er auch oft Rohrzucker oder Rübenzucker genannt.
  • Verbinden sich ein Molekül Glucose und ein Molekül Galactose entsteht Lactose (Milchzucker). Mit dieser Zuckerverbindung haben viele Menschen Probleme, denn um ihn abzubauen wird das Enzym Laktase benötigt, das vielen Menschen fehlt.

Vielfachzucker

Wenn sich mehr als zehn Glucosemoleküle verbinden, spricht man von Polysacchariden, also Vielfachzuckern. Das bekannteste Beispiel dafür ist die oben bereits erwähnte Stärke. Sie findet sich in Kartoffeln, Weizen, Reis oder Mais und ist auch in vielen Fertigprodukten vorhanden. Im Gegensatz zu Einfach- oder Mehrfachzuckern schmecken Polysaccharide nicht süß, dieser Geschmack entwickelt sich erst bei der Aufspaltung.

Wie weiter unten dargestellt wird, gibt es kaum pflanzliche Nährstoffe ohne Kohlenhydrate.  Eine No-Carb-Ernährung ist daher schon auf Anhieb kaum zu verstehen. Wenn damit nur gemeint ist, dass man es mit der Aufnahme von reinen Zuckern und auch von Lebensmitteln mit viel Stärkeanteilen nicht übertreiben soll, spricht nichts dagegen. Lässt man aber alle Lebensmittel mit relativ viel Stärke (reinem Zucker sowieseo) weg, bleiben nur Eiweiße und Fette, vorwiegend aus tierischen Quellen. Der Körper hat zwar Notprogramme, bei Glukosemangel Fett- und Aminosäuren zur Energieproduktion einzusetzen. Das aber künstlich zur Regel zu machen,  widerspricht unserer Natur. Bevor ich mich auf einen solchen radikalen Schritt einließe, müssten die möglichen Gefahren erst gründlichst untersucht sein.

 

Ausweis von Zucker auf den Produkten

Auf der Zutatenliste von Lebensmitteln finden sich leider Zucker mit verschiedenen Namen wieder. Diese Namen gilt es zu kennen, um erkennen zu können, wieviel Zucker denn insgesamt in einem Produkt enthalten ist. Wie sehr der Gesetzgeber uns Verbraucher uns dabei ins Dilemma stürzt, stellt die Verbraucherzentrale im Netz sehr deutlich dar, s. http://www.lebensmittelklarheit.de/informationen/zucker-hat-viele-namen:

„Zucker steht nicht immer als solches in der Zutatenliste, sondern kann sich hinter vielen Begriffen verstecken. Neben Zutaten, die „Zucker“ im Namen enthalten, verwenden Lebensmittelhersteller auch andere Zuckerarten oder süßende Zutaten, die mit ihrer kompliziert klingenden chemischen Bezeichnung zum Teil nur schwer als Zucker zu erkennen sind.

Zu Zuckern und zuckerreichen Zutaten gehören:

  • Saccharose
  • Dextrose
  • Raffinose
  • Glukose
  • Fruktosesirup oder Fruktose-Glukose-Sirup
  • Glukosesirup, Glukose-Fructose-Sirup oder Stärkesirup
  • Karamellsirup
  • Laktose
  • Maltose oder Malzextrakt
  • Maltodextrin, Dextrin oder Weizendextrin
  • Süßmolkenpulver
  • Gerstenmalz/Gerstenmalzextrakt

Zusätzlich kann Zucker auch über eine süßende Zutat ins Lebensmittel gelangen, zum Beispiel in Form von Honig, Traubenfruchtsüße und Dicksäfte wie Agavendicksaft. Auch Fruchtkonzentrate, -pürees oder getrockneten Früchten wie Rosinen enthalten viel Zucker.

Hersteller sind nicht verpflichtet, die verwendete Menge der einzelnen Zuckerarten anzugeben. Eine Orientierung kann jedoch die Platzierung der oben genannten Begriffe im Zutatenverzeichnis sein. Stehen sie dort weit vorn, deutet das auf einen hohen Zuckergehalt des Lebensmittels hin. Wenn verschiedene Zuckerarten an unterschiedlichen Stellen im Zutatenverzeichnis stehen, ist eine Einschätzung des Zuckeranteils aber oft nicht möglich.“

Auf der einen Seite wird also der in Naturprodukten enthaltene Zucker nicht genannt. Steht in der Zutatenliste das Wort „Zucker“, so ist – ohne dass der Verbraucher den Trick kennt! –  nur die Saccharose, also Rüben- oder Rohrzucker (Haushaltszucker) gemeint Alle anderen Zuckerarten müssen gesondert aufgeführt werden und finden sich dann meist unter „ferner liefen“.  Damit findet sich insbesondere der heutzutage der billige in eine Unzahl von Produkten hineingegebene HFCS (high fructose corn sirup), den die Zuckerforschung  nicht in der bei flüchtiger Betrachtung ins Auge fallenden Zuckerrubrik! (so auch Prof. Dr. Lustig , s. http://www.essenspausen.com/droge-zucker-ii/)

Die Verwirrung wird nicht dadurch vermindert, dass nach dem Gesetz bei der pflichtgemäßen Nährwertkennzeichnung – wieder ohne dass der Verbraucher die Besonderheit versteht– unter „Zucker“ dann doch alle Einfach- und Zweifachzucker zusammengefasst, also neben der Saccharose auch die Fruktose (Fruchtzucker) und die Laktose (Milchzucker) berücksichtigt werden müssen. Erläuterungsbedürftig ist schließlich, dass unter der Rubrik „Kohlenhydrate auf dem Lebensmitteletikett nicht alle Kohlenhydrate gemeint sind. Zellulose und Chitin, die auch Kohlenhydrate sind, gehören hier nicht dazu, weil sie keine Zuckerlieferanten sind.

 

Beispiele für den Kohlenhydratgehalt pro 100 Gramm:

Backwaren: Brot   hat zwischen 36 und  43 g, Croissants 45 g, Weißbrot/Toastbrot 49 g, helle Brötchen/Baguette 56 g und Knäckebrot fast 70 g

Getreide, Nudeln: Gekochte Kartoffeln haben nur 15 g, Süßkartoffeln, Gnocchi und Reis bis zu 27 g, Pommes Frite33 g und alle Getreideprodukte von Haferflocken über Vollkornspaghettis bis Hartweizennudeln von 60 – 70 g, Corn Flakes haben 80 g.

Gemüse, Hülsenfrüchte: Alle Gemüse liegen im Wert unter 5 g, außer Rote Bete (9 g) und Zuckermais (16 g). Hülsenfrüchte liegen durchweg um 40 g, außer Erbsen (12 g)

Obst: Alles Obst liegt zwischen 5g (Erdbeeren) und 15 g (Weintrauben), außer Bananen  und Dosenfrüchten(20 g) und Trockenfrüchten (ca.60 g)

Nüsse und Saaten: Erdnüsse haben 7 g, Mandeln nur 5 und Kürbiskerne nur 3 g. Aber auch alle anderen Nüsse von Walnüssen bis Macadamia haben nur maximal 12 g., sind aber fett.

Milch: Milch selbst und alle Milchprodukte liegen unter 5g, außer Schmelzkäse (6 g), Fruchtjoghurt (16 g) und Milcheis (über 20 g).

Süßigkeiten: liegen durchweg hoch, reiner Zucker 100g, Bonbons 98 g, Lakritz 86 g, Gummibärchen 78 g, Popcorn 68 g, Marzipan 57 g, Milchschokolade 54 g. Dunkle Schokolade (über 70 % Kakaoanteil) ist die mit 25 – 35 g die Ausnahme

Fleisch, Fisch: unpaniert praktisch keine Kohlenhydrate.

 

Sonderfall Glykonährstoffe – essenzielle Zucker

Wie versprochen komme ich am Ende meiner Ausführungen zurück auf das besondere Problem der Versorgung mit Glykonährstoffen zurück.

Nicht verstanden haben dies auch die Autoren des fragwürdigen Internet-Aufklärungsblogs Psiram, s. (https://www.psiram.com/ge/index.php/Glycon%C3%A4hrstoff).

Dort geht man über die gesicherten Feststellungen, z.B. der Autoren Mondoa und Kitei (Gesunde Zucker, Hans Nietzsch, 2004) einfach hinweg, dass es genau sechs Arten von Zuckern gibt, die wir zwar für viele Funktionen im Körper brauchen, aber nicht selbst aufbauen können, s. http://www.essenspausen.com/arthrose-skandaloese-desinformation/. Recht hat Psiram natürlich, wenn es Geschäftemacher angreift, die den essenziellen Zuckern völlig unbelegte Wunderwirkungen andichten.