Richtig Essen

GfE- Gesellschaft für richtiges Essen und Lebensgestaltung e.V.

Kinesiologische Essensregeln

Erstellt von r.ehlers am Mittwoch 21. Dezember 2016

Deutschland war früher berühmt als das „Land der Dichter und Denker“ sowie als Mutterland der Wissenschaften. Deutsch war in weiten Bereichen die führende Wissenschaftssprache. Seit sie aber diese Funktion an das Englische abgeben musste, können wir uns in Sachen der Wissenschaften nie mehr allein auf unsere Sprache verlassen.

Wenn ich im Deutschen daher von Kinesiologie rede, wie ich z.B. im Beitrag über den kinesiologischen Muskeltest – www.essenspausen.com/bioresonanz-und-kinesiologischer-muskeltest/-, ist damit nicht das gemeint, was man im Englischen unter „kinesiolgy“ versteht. Der englische Begriff meint nämlich die Bewegungswissenschaft, die sich mit der Erforschung der Bewegung von Lebewesen, besonders der des Menschen, beschäftigt (grich. κινεῖν = bewegen). Die Begriffe „human movemant“ und „motor control“ meinen dasselbe. Teilbereiche dieser Wissenschaften sind die funktionelle Anatomie, die Arbeitsphysiologie und die Biomechanik. All dem zum Trotz wird im deutschen Sprachgebrauch mit dem Wort Kinesiologie nur ein Teil der alternativen Medizin bezeichnet  und zur Klarstellung eine „Angewandte Kinesiologie (AK)“ genannt.

Die vom Institut für Angewandte Kinesiologie propagierten Vorgehensweisen (http://www.dgak.de/eip/pages/kinesiologie.php ) sind indessen weitgehend nicht wissenschaftlich. Sie beruhen auf nicht überprüften und oft sogar unsinnigen Grundannahmen.

Das soll auf der anderen Seite nicht heißen, dass sie nicht in wichtigen Fragen richtig liegen und beträchtliche Erfolge in der Prävention und der Abwehr von gesundheitlichen Schäden haben. Dies gilt teils auch für die kinesiologische Ernährungslehre.

Ein Arzt,der nicht eine schiefe Körperhaltung erkennt, erreicht seinen Patienten nicht. Da hat der praktizierende Kinesiologe große Vorteile, weil er  solche Imbalancen gründlich aufspürt und zusammen mit dem Patienten nach Wegen der Behebung der Ursachen sucht.

Um damit Erfolg zu haben, bedarf es aber des Rückgriffs auf die Grundlagen der TCM und des Ayurveda und den Glauben an die Meridiane und die alte 5-Elemente-Lehre (Erde, Metall,Wasse, Holz und Feuer) nicht. Es ist längst exakt nachgewiesen, dass es sensitive Bereiche auf dem ganzen menschlichen Körper gibt, deren Reizung auf ganz spezifische Weise entfent liegende Teile des Körpers und seine Organe ansprechen. Seither wird die Akupunktur ja auch nicht mehr pauschal von der Schulmedizin abgelehnt. Es bedarf keines Glaubens an nicht greifbare Energien, die entlang der unsichtbqaren Meridiane durch den Körper strömen. Reicht denn nicht das Wissen, dass jeder sensorische Reiz auf elektrischem Wege in Bruchteilen einer Sekunde durch den Körper rasen kann?

Essen nach der Organuhr

Ich habe es inzwischen aufgegeben, nach einer nachvollziehbaren Erklärung für alle Behauptungen der Kinesiologen bezüglich des richtigen Essens zu suchen. Was soll man auch mit solchen immer wiederkehrenden Behauptungen anfangen wie z.B. beim bekannten Münchner Kinesiologen Kim da Silva (Richtig essen zur richtigen Zeit. Ernährung und Kinesiolgie, Knaur 2001):

„Wir sollten uns stets so ernähren,dass wir die Energiebahnen in der Balance halten und nicht schädigen…. Dazu müssen wir beachten, dass wir zwölf Hauptenergieströme (???) haben und der Tag vierundzwanzig Stunden hat.

Somit (???) wechselt die Hauptaufmerksamkeit des Körpers alle zwei Stunden von einem Organ zum anderen. Die Organ-Uhr ist unsere innere Uhr.“

Die Hervorhebungen und ??? sind von mir zugesetzt.

Es ergibt sich ein Schema, das ganz offensichtlich keinen Sinn macht. Von 6 Uhr früh den ganzen Tag und die folgende Nacht hindurch fängt die „Hauptaufmerksamkeit der Körpers“ für zwei Stunden an mit dem Dickdarm (6 – 8) und dann alle zwei Stunden weiter mit dem Magen (von 8 – 10), Milz und Pankreas (10 – 12), Herz (12 – 14), Dünndarm (14 – 16), Blase (16-18), Nieren (18-20), Kreislauf und Sex (20 – 22), Körperwärme ( 22 – 24), Gallenblase (0-2), Leber  (2 – 4) und Lungen (4 – 6).

Wenn Kreislauf und die sexuelle Aktivität besonders ab 20.00 Uhr abends gut anzusprechen wären, wären wir Menschen als Spezies wohl schon ausgestorben. Dass der Magen hauptsächlich ab 8 Uhr früh gut ansprechbar sei, wenn die jungen Leute in der Schule und die Älteren an der Arbeit sitzen, leuchtet auch nicht ein. Die ganze Verteilung der Organansprechbarkeit über die 12 angenommenen Meridiane über die 24 Stunden jedes Kalendertges erweist sich als eine reine Schnapsidee.

Nichts Haltbargemachtes essen

Da Silva warnt davor, irgendweklche Nahrung aufzunehmen, die durch Einzuckern, Salzen oder Trocknen haltbar gemacht sind. Dazu zählt er auch Nüsse.

Nach seiner Logik müsste das eigentlich auch für alle Getreide und getreideähnliche Samen gelten, tut es aber nicht. Recht hat er, vor dem Verzehr von Nahrung zu warnen, auf denen sich Pilzsporen namens Conidien gebildet haben. Solche Sporen bilden sich aber auch auf aufgewärmte Nahrung, es sei denn die Aufbewahrung erfolgt nur für 1 – höchstens 2 Tage im Kühlschrank. Eine gute Hilfe gegen den Angriff der Sporen bietet auch die Vakuumtechnik. Wenn keine Wärme, kein Licht und insbesondere kein Sauerstoff an ein Lebensmitel kommen, haben die Conidien kaum Chancen.

Nichts Frisches nach 14.00 Uhr essen

Nach da Silva bildet der menschliche Körper Enzyme, die Rohes verdauen können. Diese Enzyme werden nach seiner Behauptung aber nach 14.00 Uhr nicht mehr im Körper gebildet. Erinnern Sie sich? Milz und Pankreas sollen ja nur in der Zeit von 10 – 12 Uhr besonders aktiv sein, es geht also wohl um die der Wissenschaft bekannten körpereigenen Verdauungenzyme, die im Pankreas gebildet werden. Da sind aber keine spezifisch für die Verstoffwechslung von Frischem geeignete Enzyme bekannt!  Die von den Drüsenzellen (Azini)  der Bauchspeicheldrüse gebildeten Verdauungsenzyme werden als wässriges Sekret teils über diese Zellen weitergeleitet, teilweise aber auch gespeichert und erst bei Bedarf freigegeben. Parallel dazu hat auch die Gallenflüssigkeit in der Gallenblase einen Speicher, der die Nutzung ihrer Enzyme von der aktuellen Enzymproduktion unabhängig macht.

Auch hier erweisen sich die besonderen kinesiologischen Ratschläge zum richtigen Essen als leichtfertig dahingesagt.

18 Uhr und nicht später

Der kinesiologische Essensplan sieht ein 1. reguläres Frühstück  mitMiso-Suppe, gekochte Kartoffeln, Kartoffelsuppe und Grünem Tee  und ein 2. Frühstück aus immer nur einer Sorte Obst und Gemüse vor, mittags einen Salat, Gemüse von einer einzigen Sorte in beliebiger erhitzter Zubereitung und Kartoffeln in jeglicher Form vor und ein Abendessen von 16 – 18.00 Uhr mit Fisch, Geflügel, Fleisch und Gemüse sowie zur Auswahl entweder Getreide, Nudeln oder Brot vor. Warum immer nur ein Obst oder ein Gemüse gewählt werden soll, bleibt unerfindlich. Unser System verstoffwechselt sehr wohl alles gleichzeitig.

Genau zwischen 14 – 16.00 Uhr soll man nicht essen. Der Sinn dieser Regelung erschließt sich mir nicht, weil  die Verweilzeiten der Speisen im Magen und ihrer Verstoffwechslung im Dünndarm gar nicht beachtet werden. Genau genommen hat der Körper bei dieser Planung vom Aufstehen an bis 18.00 Uhr mit der Verdauungsarbeit zu tun. Da Silva hält für die Menschen, die wegen ihrer Arbeit vor 18.00 Uhr gar nicht zum Abendessen kommen können, Übungen (Mudras) vor, die angeblich die physiologischen Abläufe für das Verdauen aktivieren und daher auch ein späteres Essen erlauben sollen. Wie das wirklich funktionieren soll, schildert er nicht.

Bei all meiner Verwunderung darüber, woher denn die mitgeteilten Weisheiten der kinesiologischen Essenslehre kommen, kann ich  im Ergebnis aber nur begrüßen, dass der, der sich darauf einlässt, im Regelfall von 18.00 Uhr bis zum Einschlafen (meist gegen 23.00 Uhr) wenigstens eine fünfstündige Essenspause einhält. Ob diese Pause reicht, um bekannte biochemische Abläufe in Gang zu setzen wie den Aufbau des „Hungerhormons“ Ghrelin und die dadurch ermöglichte Ausschüttung des Wachstumshormons Somatotropin in der Nacht, hängt davon ab, wie schwer man abends bis 18.00 Uhr gegessen hat. Bei eiweißreicher Kost reichen diese fünf Stunden jedenfalls nicht um sicher zu stellen, dass die nächtliche Generalreparatur aller Zellen des Körpers auch wirklich stattfindet (vgl.  http://www.essenspausen.com/leerer-magen-macht-gesund/).