Richtig Essen

GfE- Gesellschaft für richtiges Essen und Lebensgestaltung e.V.

Gruppendynamik in der Familie

Erstellt von r.ehlers am Mittwoch 4. November 2015

Bild: essstoerungen-onlineberatung.de

Die frühen Erfahrungen im Leben, besonders mit den Eltern und  mit den Geschwistern, kriegen wir ein Leben lang nicht ganz aus dem Kopf. Gut verarbeitete Erfahrungen sind ein wertvolles Kapital für die Selbstfindung und die Beherrschung von Problemen im Leben. Schlechte nicht verarbeitete Erfahrungen können zur  Basis für spätere Fehlentscheidungen werden. Sie können darüber hinaus die Grundstimmung im ganzen Leben herabdrücken.Es ist daher unerlässlich, dass wir die wichtigen Ereignisse aus der Zeit unseres Hineinwachsens in die Welt nicht einfach verdrängen. Wir müssen ihnen vielmehr bewusst unsere Aufmerksamkeit schenken und unser unbewusstes Selbst daran arbeiten lassen.

Damit befinden wir uns mitten in dem weiten Gebiet der theoretischen und der angewandten Familienpsychologie. Dadurch, dass es in der Familienpsychologie nicht nur um den einen oder anderen Menschen mit seinen unendlich vielen individuellen Besonderheiten geht, sondern gleich um eine ganze Reihe von ihnen, die miteinander im Sinne einer Familiendynamik interagieren, wird es umso schwieriger, die realen Beziehungen zu verstehen, um ggf. korrigierend einzugreifen oder dadurch enstatande psychische Schäden zu korrigieren.

Ich will den Stand der Familienwissenschaften nicht klein reden. Von daher kommen ganz gewiss weiterführende Erkenntnisse, die in die Beurteilungen von Problemsituationen einfließen können. Die Wissenschaft ist aber noch jung und wird nur wenig gefördert. Ich habe als Strafverteidiger und Familienrechtsanwalt immer wieder familienpsychologische Stellungnahmen und Gutachten in die Hand bekommen, die schwere Zweifel an der Exaktheit aufkommen ließen. Mein Eindruck ist der, dass die Qualität der Beurteilungen sehr stark davon abhängig ist, dass der urteilende Psychologe selbst  in sich gefestigt ist und ein erkleckliches Maß an Lebensweisheit mitbringt.

-de.wikipedia.org-

Die Heilige Familie

In der Folge will ich als wichtigstem Moment der Familiendynamik etwas sagen zur Konkurrenzsituation aller Mitglieder in der Familie.

Aus den vielen Geschichten des alten Testaments, die voller Lebensweisheit stecken,  ragt die Geschichte von Kain und Abel heraus, die uns Kinder wie sonst nur die wenig zimperlichen Märchen der Gebrüder Grimm an dem grundlegenen Anstand und der Moral in der Welt zweifeln ließen. Auch dass der Vater von Hänsel und Gretel dem Willen der bösen Stiefmutter nachgab und die Kinder im Wald „entsorgte“, passte nicht in die heile Welt der guten Menschen, die uns als Kindern als normal vorgestellt wurde. Ob die Kinder der Eltern, die mit der Agenda 2010 ihre gesicherte Arbeit verloren haben und mit der Familie kaum über die Runden kommen, von ihren Eltern auch das Urvertrauen in die Gutheit und Ehrlichkeit der Welt übernehmen können?

 

Das schwierige Einvernehmen unten den Eltern

Niemand weiß, was den Menschen, den er sich einmal als hoffentlich idealen Lebenspartner ausgesucht  hat, Jahrzehnte später charakterisieren wird. Wir sind ja alle keine Hellseher und können an der vielleicht zunächst gefälligen äußeren Erscheinung nicht erkennen, was den Partner im Innersten bewegt. Was wissen wir, welche Bilder er für seine Ehe von den Beziehungen seiner eigenen Eltern her übernommen hat? Typisch ist eine Anekdote, die meine eigene Mutter so sehr bewegt hat, dass sie sie in der Familie und vor Freunden immer wieder erwähnt hat. Als sie ihren Ehemann, meinen Vater, ihren Eltern vorgestellt hatte und meine Großmutter sah, dass meine Mutter ihrem „Künftigen“ in der Unterhaltung oft auch widersprach, mahnte ihre Mutter sie nachdrücklich, dass eine kluge Frau sich vor der Ehe nicht kritisch geben dürfte, um den Mann nicht abzuschrecken.

Wir neigen dazu, offenbare personale Defizite an den Menschen, die wir einmal als Begleiter für das Leben auserkoren haben,  vor uns selbst und anderen klein zu reden. Gern machen wir uns vor, dass sie  sich im Laufe der Zeit bestimmt positiv entwickeln werden. Der Zeitablauf allein ändert aber gar nichts und was einmal angelegt ist, vergeht nicht von selbst. Und wenn der Mann mit ursprünglich stattlicher Erscheinng dann noch versoffen, dick und träge wird, und  die Frau sich als berechnend, prunk-, putz- und esssüchtig erweist, sodass sie bald  mehr breit als hoch ist, fehlt auch noch die wechselseitige Attraktivität.

Nicht umsonst halten die Alten in jeder Generation den Jungen  vor, dass sie besser hinschauen sollen bei der Partnerwahl. Schillers nachstehendes Gedicht ist heute wichtiger denn je, denn die Liebe bleibt nicht nach dem Schwinden der Leidenschaft,  wenn auch nur einer der Partner nicht wirklich guten Willens ist. Allen Wert verliert die Beziehung dann, wenn ein Partner den anderen als Konkurrenten, z.B. bei der Gunst der Kinder oder beim Geldausgeben sieht und hinterrücks oder offen gegen den anderen agiert.

…denn wo das Strenge mit dem Zarten,
Wo Starkes sich und Mildes paarten,
Da gibt es einen guten Klang.

Drum prüfe, wer sich ewig bindet,
Ob sich das Herz zum Herzen findet!
Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.

Lieblich in der Bräute Locken
Spielt der jungfräuliche Kranz,
Wenn die hellen Kirchenglocken
Laden zu des Festes Glanz.

Ach! des Lebens schönste Feier
Endigt auch den Lebensmai,
Mit dem Gürtel, mit dem Schleier
Reißt der schöne Wahn entzwei.
Die Leidenschaft flieht!
Die Liebe muß bleiben,
Die Blume verblüht,
Die Frucht muß treiben…

Friedrich Schiller, 1759-1805

 

Die schwierige Gleichbehandlung von Kindern

Selbst wenn die Eltern einvernehmlich danach trachten, ihre Kinder gleich und gerecht zu behandeln und insbesondere keinem von ihnen mehr zukommen lassen als dem oder den anderen – sei es Geld, Aufmerksamkeit oder Liebe – , ist es sehr schwer, das Aufkommen von Konkurrenzdenken unter Geschwistern zu vermeiden. Hierhin gehört auch der Fall  behinderter Kinder, die alle Aufmerksamkeit der Eltern auf sich lenken. Innerlich zu spüren, dass man eine innere Abneigung gerade gegen ein behindertes Geschwisterkind entwickelt hat, ist für das Selbstwertgefühl des betroffenen Kindes aber sehr nachteilig. Alle Welt hat uns in der Jugend ja mit erhobenem Zeigefinger belehrt, dass Geschwister sich zu lieben haben – und wer die Hand gegen die Eltern erhebt, dem wächst nach dem Tod eine schwarze Hand aus dem Grab!

Schon die Stellung eines Kindes durch Geburt vor oder nach anderen sorgt regelmäßig  für seine Begünstigung oder Benachteiligung. – jedenfalls in der Vorstellung der Kinder, die sich benachteiligt fühlen. Kommt zu einem ersten Kind ein zweites hinzu, keimt ohne alles fremdes Dazutun beim Erstgeborenen (Kain) die Sorge auf, dass er künftig weniger von den in der Familie zu verteilenden Segnungen abbekommen könnte als der Neuankömmling (Abel). Wenn da nicht bewusst gegengearbeitet wird, ist das Famiiendrama vorprogrammiert. Ich glaube, dass im alten Testament die Darlegung der Erbsünde nur durch ein Redaktionsversehen ins fasche Kapitel gerutscht ist. Nicht die Dreierbeziehung zwischen Adam, Eva und der Schlange unter dem Baum der Erkenntnis ist die wahre Erbsünde, sondern der Mord am eigenen Bruder!

Ich habe in meiner Herkunftsfamilie persönlich eine vergleichsweise harmlose aber der von Kain und Abel durchaus ähnliche Konkurenz bzw. Eifersuchtslage erlebt. Die mir zeitlich am nächsten liegende meiner drei Schwestern, die ich als Letztgeborener fast noch mehr mochte als die beiden älteren, geriet jedes Mal in eine regelrechte freudige Verzückung, wenn mir etwas nicht gelang oder wenn ich Schwierigkeiten mit den Eltern bekam (etwa weil ich den grünen Salat nicht schlingen wollte, der doch angeblich so gesund war). Als wir alle schon das Haus der Eltern verlassen hatten,  wurde mir erst klar, dass das Verhalten meiner Schwester völlig „normal“ war. Sie konnte einfach nicht anders als zu argwöhnen, dass das nach drei Mädchen als einziger Sohn hinzugekommene Kind begünstigt würde. Ohne Realisierung der Zusammenhänge und gezielte mentale, auch therapeutische Arbeit kriegt man solche tiefgreifenden Dissonanzen ein Leben lang nicht aus dem Sinn.

Ich selbst in meinem Unverstand konnte es ohnehin nicht, aber auch meine Eltern konnten damals  „so schlecht gar nicht denken“, dass ein Geschwisterkind gegenüber einem anderen ein so ungutes Gefühl entwickeln kann, dass es sich diebisch über dessen Missgeschick freut. Genau genommen fühlen wir alle tief in uns die Macht solcher gruppendynamischen Zwänge, wollen sie uns aber meist nicht eingestehen. Für unser besseren Selbstverständnis und das unserer Mitmenschen ist es aber ratsam, besser hinzusehen und Eifersüchteleien, Konkurrenzdenken und Ablehnung oder gar Hass für möglich zu halten.  Wenn wir sie in ihrer Entstehung erst einmal verstanden haben, können wir besser dagegen halten und sogar zu einer familiären Versöhnung beitragen.

Wir müssen lernen, unsere angelernte kindliche Naivität abzulegen und unmoralisches, inhumanes und selbst schreckliches mörderisches Verhalten unter familiär verbundenen Menschen für möglich zu halten. Auf größeren Ebenen wie insbesondere der Politik sind viele kritische Bürger längst bereit, Propagandalügen als solche zu erkennen und zu benennen wie etwa, dass Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen gehabt hätte und Assad selbst seine Landsleute mit Giftgasgranaten beschossen gehabt hätte, oder dass an 9/11 nicht nur die beiden Türme des World Trade Centers, sondern auch das Hochhaus WT 7 (das von außen kaum beschädigt worden war und nur auf zwei Etagen brannte) nicht durch Terroristen zum senkrechten Einsturz kam, sondern durch eine – vielleicht gar von den Eigentümern selbst akribisch vorbereitete – geplante Sprengung!

Wir müssen lernen, immer auch das Schlechte für möglich zu halten, um überzeugt das Gute zu tun!