Richtig Essen

GfE- Gesellschaft für richtiges Essen und Lebensgestaltung e.V.

Doping durch chemische Zusätze zur Nahrung

Erstellt von r.ehlers am Sonntag 23. Februar 2014

Wer kein Leistungssportler ist, wird von der Mitteilung überrascht worden sein, dass die erfolgreiche deutsche Biathletin Evi Sachenbacher-Stehle bei der Winterolympiade in Sotchi des Dopings mit Nahrungsergänzungsmitteln überführt worden sei.

 

Ihr privater Ernährungsberater, kein Arzt und kein Sportmediziner, sondern ein Mentaltrainer, hätte ihr zusätzlich zu den Nahrungsergänzungen, die den Empfehlungen des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) entsprachen, eine ganze Reihe von Nahrungsergänzungsmittel aufgenommen gehabt hätte. Mindestens in einem von ihnen sei die verbotene Substanz Methylhexamin enthalten gewesen.

Wie aber können Nahrungsergänzungen denn solche Stoffe beinhalten? Sind solche Chemikalien nicht allenfalls Arzneimittel, die in Essbarem nichts zu suchen haben.

War es etwa der unheimliche  „Underground One Pill Only Fat Destroyer“ Lipo 6 Black  von Nutrex,der bei Ebay für lumpige 43,90 € zu haben ist?

Professor Dr. Werner Wilhelm Franke, zuständig für Zell- und Molekularbiologie am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, machte sich über Sachenbacher-Stehle noch lustig:

Mentaltrainer und gleichzeitig Ernährungsberater, wenn ich das schon höre. Wer mit so einem Guru zusammenarbeitet,  gehört schon wegen Dummheit gesperrt.“

Der Nürnberger Doping Experte und Pharmakologe Fritz Sörgel erklärte, dass Methylhexamin ein zugelassenes Arzneimittel ist, das seine eigenen Wirkungen hätte.  Aber es habe eben auch eindeutig stimulierende Wirkungen.

Auf der Suche nach Handelsnamen für Arzneimittel, die die Wirksubstanz Methylhexamin beinhalten, stieß ich auf die Mitteilung der Deutschen Doping-Agentur (NADA) zum Fall Evi Sachenbacher-Stehle,

www.nada.de/de/nada/aktuelles/newsdetail/?tx_news_pi1[controller]=News&tx_news_pi1[action]=detail&tx_news_pi1[news]=561&cHash=ce89e2376c#.Uwn6wc6z9cA,

mit dem Hinweis, dass Methylhexamin auch unter einer Fülle anderer Namen zu finden ist: 1,3-Dimethylamylamin; Dimethylpentylamin; Geranamin; Forthan; Floradren; Geraniumöl; Geraniumwurzelextrakt; 4-Methyl-2-hexanamin; 4-Methyl-2-hexylamin; 2-Amino-4-methylhexan und Pentylamin.

Ich kenne das sonst nur so, dass ein und derselbe Wirkstoff immer neue Handelsnamen kriegt, was den Gesamtabsatz sicher fördert. Aber ein und demselben Wirkstoff  immer neue Namen zu geben machte es am Ende doch unmöglich festzustellen, ob die verbotene – auch stimulierende -Substanz in einem Produkt enthalten ist oder nicht. Auf meiner Suche nach „richtigen“, in den Standapotheken verkauften Arzneimitteln, die auf dem Waschzettel auch  nur einen der vielen Wirkstoffnamen aufführen, kam ich zu folgenden Ergebnissen:

1,3 Dimetylamylamin (DMAA):

Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) erläuterte in seiner Stellungnahme in seiner Stellungnahme Nr. 030/2012 vom 31.5.2012, dass der Stoff mit diesem Namen im Internet als Inhaltsstoff von so genannten „Prä-Workout-Produkten“ sowie Produkten zur  Gewichtsreduktion als Nahrungsergänzungsmittel oder in Lebensmitteln angeboten würden und besonders von Sportlern eingenommen würden. In Neuseeland wären dieser Stoff Bestandteil von Partypillen gewesen, die aber dort inzwischen verboten worden seien. Diskutiert wird vom BfR, dass der Wirkstoff natürlicher Bestandteil der asiatischen Pflanze Pelargonium graveloens sein kann, deren „Geraniumöl“ in sehr kleinen Mengen bei der Herstellung einer großen  Zahl von Lebensmitteln allgemein üblich ist, z.B.  bei Getränken, Süßwaren, Backwaren und Puddings.

In Studien über den Einsatz des Wirkstoffs in größeren Anteilen ist von endlosen körperlichen Schäden die Rede, die Erkrankungen des Herzens, des Nervensystems, psychiatrische Erkrankungen und Todesfälle einschließen. Studien darüber, ab welcher Dosis mit den „Nebenwirkungen“ zu rechnen ist, wie der Stoff im Körper wirkt, ob er Depots bildet und wie er ausgeschieden wird, gibt es nicht.  Da ist es mehr als erstaunlich, dass das BfR „empfiehlt, zu prüfen, ob die formalen Voraussetzungen für ein Inverkehrbringen von DMAA-haltigen Produkten als Lebensmittel überhaupt gegeben sind, inbesondere zu klären, ob die DMAA nicht als neuartiges Lebensmittel, bzw. als neuartige Lebensmittelzutat einzustufen ist“. Auch eine Einstufung als Arzneimittel käme in Betracht. S. http://www.bfr.bund.de/cm/343/gesundheitliche-bewertung-von-dmaa-als-inhaltsstoff-von-produkten-die-als-lebensmittel-in-verkehr-gebracht-werden.pdf

1-Pentylamin:

Unter diesem Namen ist Methylhexamin lt. Wikipedia  enthalten in Gummichemikalien (hoffentlich nicht auch in Gummibärchen), Insektiziden, Tensiden, Flotationsmiteln,Lösungsmitteln und Pharmazeutika. Welche Arzneimittel das sind, wird nicht gesagt. Das Zeugs ist aber auch so nicht ungefährlich. Die Dämpfe von 1-Pentylamin bilden mit Luft ein explosionsfähiges Gemisch (Flammpunkt  7 °C, Zündtemperatur 305 °C).

Forthan:

Allein unter diesem Stichwort wurde ich auf der Suche nach einem Arzneimittel mit Methylhexamin als Wirkstoff  fündig. Seit 1944 war das Medikament Forthane des amerikanischen Pharmariesen  Eli Lilly and Company mit der Indikation des Abschwellens der Nasenschleimhaut auf dem Markt. 1983 nahm man Forthane ganz vom Markt, weil man erkannte, dass es sich dabei um ein Symphatomimetikum handelte, das stimulierend auf die Sympathikus-Nerven des vegetativen Nervensystems einwirkt. Es erhöht den Blutdruck und die Herzfrequenz, erweitert die Atemwege, erhöht den Energieverbrauch und zügelt den Appetit durch einen Eingriff in die natürlichen Hungerregularien im Hypothalamus des menschlichen Gehirns. Offenbar greift es damit auch in die serotonergen Kreisläufe ein, weil häufige Nebenfolgen neben Herz- und Kreislaufbeschwerden auch psychische Störungen sind.

Es gibt offensichtlich auf dem Markt heute gar keine Arzneimittel mit dem Wirkstoff Methylhexamin oder wie immer man die Chemikalie nennen will. Der Stoff hat zwar noch eine überholte Arzneimittelzulassung, aber keine medizinische Verwendung. Umso mehr ist er auf den Markt der Sportlernahrung und der Fatburner zur Gewichtsreduzierung vorgedrungen, wo er bei richtiger Betrachtung gar nichts zu suchen hat. Die  erstrebten Wirkungen sind rein arzneilicher Natur. Arzneimittel sind keine erlaubte Zutat zu Lebens- oder Nahrungsergänzungsmitteln. Leider schützt uns unser Staat nicht davor, dass solche Mischprodukte den Markt der Lebensmittel und der Nahrungsergänzungsmittel regelrecht überschwemmen.  Es ist an der Zeit, dass der Gesetzgeber völlige Klarheit schafft, damit die Verwaltung all diese Missstände beseitigt.

Soweit es um das Eindringen in den Markt von außen über das Internet geht, ist die Regierung gefragt, neben den Bemühungen um einen internationalen Freihandel gemeinsam mit den Herkunftsländern die gefährlichen Angebote effektiv zu sperren. Wir könnenvon unserem Staat erwarten, dass er alles in seiner Macht stehende tut, dass unsere natürlichen Lebensmittel nicht mit Fremdstoffen verfälscht werden. Auch Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel, die in die keine Chemikalien hineingemengt werden dürfen.

Lebensmittel, richtig gegessen, sind die beste Gewähr für ein gesundes Leben und eine optimale Leistungsfähigkeit. Wo sich Schäden eingestellt haben, wo sie gefehlt hatten, können sie auch heilen. Im Übrigen aber ist es eine ganz andere Sache, dass bestimmte chemische Wirkstoffe  im Krankheitsfall hillfreich und heilsam sein können. Aus medizinischen Gründen können sie auch zusammen mitder Nahrung aufgenommen werden. Die allgemein zugänglichen Lebensmittel aber ohne Kontrolle durch die Mediizin mit Arzneimitteln zu vermengen, ist ein Unding!

Der vorgenannte Bericht der NADA bringt schließlich eine weitere spannende Tatsache zutage. Danach wird auch klar, welche Bewandtnis es mit der Presseerklärung des  Pharmakologen Fritz Sörgel hat, in der es heißt: „Mich wundert, dass so etwas im Training erlaubt ist, und nur im Wettkampf nicht.“  Die Dopingregularien verbieten tatsächlich Methylhexamin  gar nicht generell. Im Training darf man so viel davon benutzen, wie man will. Nur muss man darauf achten, dass es nicht mehr in messbarer Menge im Körper vorhanden ist, wenn man sich zum Wettkampf stellt!

Man kann nur hoffen, dass die kleinen Mengen des Stoffs, die mit Softdrinks, Gebäck und Puddings etc. in den Körper kommen, einzeln und erst recht  in der Summe nicht messbar sind. Wer seinem Körper hohe Leistungen abverlangt, sollte solche wenig vitalstoffreiche Nahrung unbedingt meiden. Neben den Schäden, die sie im Körper anrichten, gesellt sich ihr größter Nachteil. Sie verdrängen nämlich den ausreichenden Konsum wirklich vitalstoffreicher Nahrung!  Aber natürlich gibt es große Talente, die selbst angesichts wenig wertvoller Ernährung ihre Konkurrenten noch überflügeln können. Wer weiß, vielleicht hätte Evi Sachenbacher-Stehle ohne ihre Experimente mit fremden Substanzen mehr Medaillen abgeräumt als sie selbst für möglich hielt.

Wer sich dafür interessiert,  was ein Anwender alles mit dem eingangs vorgestellten Lipo-6-Black des Herstellers Nutrex  erlebt hat,  kann bei dem Bericht der diplomierten Ernährungsberaterin Ruth Ellenberger darüber das Gruseln lernen: http://www.ebalance.ch/portal/public/articles.xhtml?articled=6e404355-264d-4b69-9cdc-e3c7c36d10000

25.2.2014: Ein Nachtrag

Ich habe denVorgang jetzt auch auf http://www.buergerstimme.com/Design2/2014-02/doping-fall-in-sotschi-zeigt-maengel-im-system/ aufgegriffen. Neu ist dort der Hinweis auf ECA-Stack und MCA-Stack und die Nähe zur fürchterlichen Droge Crystal Meth.