Richtig Essen

GfE- Gesellschaft für richtiges Essen und Lebensgestaltung e.V.

Diagnose „Bore Out“: ein Hoax

Erstellt von r.ehlers am Samstag 25. Januar 2014

Mit  meiner gestrigen Betrachtung zu Burnout, Managerkrankheit und Neurastehenie habe ich gezeigt, dass die Medizin 300 Jahre lang  auf die immer gleichen psychischen Störungen nur mit immer wieder neuen Krankheitsbegriffen reagiert hat. Das soll kein Vorwurf sein, weil man wissenschaftlichen Fortschritt ja nicht erzwingen kann. Dem in der Öffentlichkeit allgemein verbreiteten Optimismus , dass die Medizin bald alle Krankheiten heilen und uns ein ewiges schönes Leben bringen wird, kann ich nur entgegenhalten, dass sich bisher durch jede Vertiefung des Wissens über die Natur immer auch weitere undurchdringliche Rätsel aufgetan haben.

 

Hier will ich kurz auf eine neue Krankheitserfindung zu sprechen kommen, die in Wirklichkeit nur ein jedem Menschen bekanntes soziales Phänomen darstellt, das in vielen Fällen tatsächlich auch eine wichtige Rolle bei der Entstehung einer Depression und eines Burnouts (.. .einer Managerkrankheit, … einer Neurasthenie) spielen kann, aber ganz sicher keine neue Krankheit ist: den Bore Out.

Die schweizerischen  Erfinder, Philippe Rohlin und Dr. phil. Peter R. Werder, zwei clevere Schweizer Unternehmensberater, haben über den Bore Out  viel beachtete Bücher geschrieben und unterhalten eine eigene Internet-Plattform zur Bewerbung ihrer Geschäftsidee (http://www.boreout.com/). Tolle Idee, interessante psycholgische und soziale Gegebenheit: Ja, aber als Krankheitsgeschehen ein Hoax, ein Phänomen, dessen Name sich wohl vom Hokus Pokus ableitet.

Durch die Erfahrung mit vorgetäuschen Compuuterviren haben wir Mitte der 70er Jahre des letzten Jahrunderts erfahren, was ein Hoax ist – nur ein anderes Wort für Jux, Scherz, Schabernack, Schwindel oder einfach Falschmeldung, mitder einzigen Besonderheit, dass sich der Täter moderner Kommunikationsmedien bedient. Da dies der Mühe der Schöpfung eines neuen Begriffs eigentlich nicht wert ist, könnte man sagen, dass ein Hoax wegen Fehlens eines bemerkenswerten eigenen sprachlichen Inhalts  selbst ein Hoax ist. Also: ein Hoax ist ein Hoax!

Gleich der erste Hoax der Weltgeschichte war geradezu genial, als H.G.Wells 1938 die neuen Möglichkeiten des Radios nutzte, um seine Phantasie eines Angriffs der grünen Männchen vom Mars auf die Erde real erscheinen zu lassen. Ein so toller Hoax ist der Bore Out nicht.

Der Hoax vom Bore-Out-Syndrom karikiert aber – ob von den Autoren gewollt oder nicht – ein viel verdrängtes peinliches Wissen über unser Verhalten, besonders in der Arbeitswelt:

  • Sehr viele Menschen heutzutage machen sich und anderen nur vor, dass sie viel und zudem Wichtiges zu tun hätten, während sie sich in Wahrheit mit dem wenigen, was sie zu tun haben, schrecklich langweilen (engl. boring = dt. langweilig).

Wörter wie „stinklangweilig“ und „zu Tode langweilen“ zeigen das sehr deutlich. Ein Burnout kommt ihnen sogar attraktiv vor, zeigt er doch an, dass die Leistung des Betroffenen von so großem Interesse ist, dass er sogar überfordert wird. Daher spielen sie selbst die Rolle des Überforderten. In fast jedem größeren Büro, ob in der freien Wirtschaft oder in den Ämtern, sitzen Mitarbeiter, die ihre Arbeit inhaltslos und leer finden, aber nach außen ein hohes Engagement und großen Arbheitsaufwand vortäuschen. Es gibt aber auch ganze Abteilungen, in denen mit Ausnahme weniger wirklich Aktiver  (die dann sogar unter echtem Arbeitsdruck stehen) alle oder die meisten Mitarbeiter fast nur „Däumchen drehen.“ Woher denn kommen die vielen Beamtenwitze wie den, dass beim Beamtenmikado der verliert, der sich (als Erster) bewegt.

Reihenweise belegen Statistiken, dass die Mehrzahl der Arbeitnehmer sich nicht mit ihrer Arbeit identifizieren. Wie sollen sie auch, wenn sie nur an stupide Bewegungs- und Denkabläufe herangelassen werden. Das ist der Fluch der übertriebenen Arbeitsteilung und der Mechanisierung und Robotisierung.

Die Langeweile packt in unserer Gesellschaft leider auch viele, die wirklich hart arbeiten und viel leisten, etwa Frauen, die Haushalt, Kindererziehung und oft noch einen „Nebenjob“ erledigen. Der Grund für diesen Widersinn leigt darin, dass den Betroffenen ständig die Bilder eines unerhört spannenden Lebens vorgegaukelt werden, sodass sie alle ihre Vorbilder bzw. Idole in solch hohlem Glamour sehen.  Diese Langeweile beruht also  nur auf einer Fehleinschätzung, nämlich der Verkennung, dass ihr Leben auch ohne falschen Glanz, so wie es ist, kostbar ist.

Beteiligt an der Entstehung notorischer Langeweile ist auch der falsche Umgang mit der Zeit. Sie kennen doch die Autofahrer, die auf der Straße beständig auf die Tube drücken, als müssten sie eine hochschwangere Frau zur Entbindung fahren. Am Ziel angekommen hängen sie dann aber nur herum, weil sie sich für die jeweilige Gegenwart keine Aufgaben gesucht haben, jedenfalls keine, die ihnen beeutsam ersheint. Sie hoffen stetig darauf, dass „einmal ein Wunder geschieht.“ Darum verplempert ein unvorstellbar großer Teil unserer Mitmenschen ja auch ständig Milliarden beim Glücksspiel.  Mir fällt zu diesem wöchentlichen „Zug der Lemminge“ zu den Lottoannahmestellen und Wettbüros immer der Wahrspruch meiner alten Tante Elfriede ein (die in gesitiger Klarheit 99 Jahre lebte): „Hoffen und Harren macht alte Jungfern und Narren!“ Schlimmer als dieser Zeitverlust ist indes die Verschiebung der Erwartungen und des Interesses weg von der Realität zu praktisch unrealisierbaren Gewinnchancen. Und dann machen die Betreiber der hilflosen Spielchen die Menschen unterschwellig glauben, dass das Mimachen bei diesem Widersinn ein Spaß sei und Freude vermittle!

Was an Angeboten für das Leben bleibt, sind oberflächliche Zerstreuungen ohne Wert, wie sie auch das Fernsehen Tag und Nacht ins Haus liefert. So sinntötend waren sicher auch die Spiele im alten Rom, die das Volk bei der Stange hielten: „panem et circenses“. Denken Sie nur an die ständig zunehmenden läppischen Quizs- und Ratespiele im sog. Free-TV wie beim sogar gebührenpflichtigen Staatsfernsehen!

Die moderne Bewegung für mehr Achtsamkeit im Leben und Fokussierung auf das reale Leben hat genau diese Probleme im Auge. Jede Minute des Lebens birgt in Wahrheit interssante Momente und Möglichkeiten, wenn man nur aufmerksam hinsieht. Natürlich ist das Wissen um die Bedeutung der Achtsamkeit auch nicht neu, sondern präsentiert nur wichtige alte Weisheiten im neuen Gewand.