Richtig Essen

GfE- Gesellschaft für richtiges Essen und Lebensgestaltung e.V.

Der Verlust der Esskultur führt zum Ruin der Gesundheit

Erstellt von r.ehlers am Sonntag 8. April 2012

 

„Essen und Trinken ist die Lust dieser Welt“, sagte der selbst  allem Menschlichen sehr zugetane Reformator Martin Luther. Es konnte nicht anders sein, als dass wir Menschen das so lustbetonte Essen auch kultivierten.

Im Laufe der Jahrhunderte hat sich in unserem Essverhalten allerdings so viel geändert, dass sich die Frage aufdrängt: wie halten wir es mit der Esskultur?

Es sieht auf den ersten Blick so aus, als läge uns heute besonders viel an der Esskultur. Die große Zahl der Kochshows im Fernsehen und die Fülle der überall angebotenen großartigen Rezepte für wohlschmeckende und gesunde Gerichte lassen vermuten, dass die Esskultur in unserer Gesellschaft einen sehr hohen Rang einnimmt. Zugleich wird öffentlich so viel über den Zusammenhang von richtiger Ernährung und Gesundheit geschrieben wie nie zuvor. Schließlich sind Millionen von uns ständig auf der Suche nach immer tolleren Inhaltsstoffen in unserer Nahrung, die es richten sollen. Neben Vitaminen, Enzymen, Aminosäuren, Glykonährstoffen, Mineralstoffen und ungesättigten Fettsäuren stehen sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe im Fokus des Interesses wie Resveratol, Querzetin, OPC, Flavonoide und Phytonährstoffe aus immer exotischeren Quellen wie Algen, Acai, Aronia, Acerola, Aprikosenkernen, Amaranth, Goji, Granatapfel, Ginseng, Gingko, Maca, Noni, Topinambur, Quinoa und ständig mehr.

Keine Zeit zum ruhigen Essen.

Tatsächlich aber herrscht in unserer Gesellschaft die absolute Geringschätzung der Nahrungsaufnahme vor. Trotz des großen Interesses am Erhalt der Gesundheit kommt in unserer heutigen Welt die Nahrungsaufnahme regelmäßig zu kurz. Das gilt schon für die geringe Zeit, die wir dafür opfern. Nur wenige Menschen nehmen sich die Zeit, ihre Mahlzeiten in Ruhe zu genießen. Essen und Trinken ist immer mehr zu einer Nebensache geworden, zu einer meist sehr einsamen Nebensache obendrein. Wir sind fest davon überzeugt, dass wir alle laufend von einer hektischen Welt maßlos überfordert würden. Darum führen wir uns auf wie die grauen Herren, die Zeit-Diebe im Märchen „Momo“ von Michael Ende. Was nur hat uns so unstet gemacht, dass wir selbst beim Essen so tun müssen, als hätten wir keine Zeit? In Wahrheit sind wir doch gar nicht immer so knapp dran mit unserer Zeit. Nehmen Sie nur die notorisch drängelnden Autofahrer. Sie rasen wie aufgedreht von einem Ort zum anderen und sitzen am Ziel angekommen gelangweilt herum und drehen Däumchen. Sicherlich leiden einige Menschen in der heutigen Arbeitswelt oft unter hohem Zeitdruck. Aber die weit größere Zahl der Beschäftigten tut das nicht, meint aber, das wenigstens vor sich und anderen demonstrieren zu müssen. Selbst unter dem „historisch-realen Sozialismus“ der ehemaligen DDR, wo Beschäftigung für jeden staatlich verordnet war, viele Menschen aber keine wirklich sinnvolle Arbeit hatten, meinten die meisten, sich ständig überbeschäftigt geben zu müssen.

Es fängt mit dem Frühstück an, das die meisten Menschen regelmäßig ganz allein einnehmen, meist in selbst auferlegter größter Hast. Auch die späteren Mahlzeiten des Tages sind vorwiegend ein einsames Verdrücken von Nahrung, natürlich wie immer in Eile. Wir haben es zugelassen, dass unsere arbeitsteilige Arbeitswelt die alten festen Essenszeiten für Frühstück, Mittagessen und Abendessen auseinander gerissen hat. Jeder begibt sich dann ans Essen, wann er gerade frei ist. Es gibt viel zu wenige gemeinsame Essenszeiten von Arbeitskollegen und Familienangehörigen.

Nur für Snacks und Zwischenmahlzeiten ist immer Zeit.

Wofür aber immer Zeit da ist, das ist für einen Snack oder für eine Zwischenmahlzeit – einen kleinen Happen hier, ein Joghurt da, Kuchen zum Kaffee, ein Stück Pizza nebenbei oder ein Sandwich, Gebäck oder Kekse, dazu zu jeder Zeit – nicht nur abends vor der Glotze – alle möglichen Knabbersachen. Die meisten heutigen Menschen essen unentwegt und ohne Plan. Sogar beim Gehen stopfen sie noch Nahrung in den Mund. Die Ähnlichkeit mit den nikotinsüchtigen fahrigen Rauchern, die statt in Ruhe ihrem Laster zu frönen, auch im Umhergehen rauchen, ist unverkennbar.

Wie sehr unsere Gesellschaft in der Bewältigung der Nahrungsaufnahme aus dem Lot geraten ist, erleben wir täglich in den Medien, in denen uns mit riesigem Werbeaufwand pausenlos vorgegaukelt wird, wie wertvoll es für uns ist, uns zwischen den Hauptmahlzeiten angeblich leckere und angeblich sogar gesunde kleine „Snacks“ und Zwischenmahlzeiten zu gönnen. Die Verbraucherschutzvereinigung „Foodwatch“ hat nicht umsonst die unsägliche „Milchschnitte“ von Ferrero® mit dem „Goldenen Windbeutel“ für die dickste Werbelüge 2011 prämiiert.

Unsinnige Kampagne „5 am Tag“

Die Unsitte, in immer kürzeren Abständen Nahrung aufzunehmen, wird noch bestärkt durch die Kampagne der halboffiziösen Gesundheitsgesellschaften, die angeführt von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit der Aktion „5 am Tag“ tatsächlich seit Jahrzehnten propagieren, 5 Mal am Tage zu essen. Das erklärte Ziel lautet zwar, die Bevölkerung so zum Konsum von mehr frischem Obst und Gemüse zu bewegen. Der Schuss geht aber nach hinten los. Denn wer sich daran hält, fünf Mal am Tag zu essen, hangelt sich ja den ganzen Tag hindurch von einer Nahrungsaufnahme zur nächsten. Wie das unweigerlich zur Verfettung der Menschen und zur Schädigung der Gesundheit führt, werde ich am Ende des Beitrags aufzeigen.

Auch die Tischsitten sind vergessen.

Nicht nur sind die Essenszeiten geschleift, auch die dazu gehörenden Tischsitten sind untergegangen. Im privaten Rahmen wird der Tisch meist nur noch nachlässig gedeckt. Oft genug kommen keine Schüsseln auf den Tisch, von denen her sich jeder die Speisen selbst auf den Essteller legen kann. Um Zeit und Aufwand zu sparen, kriegt man wie in der Kantine auch zuhause alles auf einen Teller geklatscht. Man kann schon froh sein, wenn wenigstens jeder am Tisch eine Serviette kriegt – und wenn sie nur aus billigem Papier ist.

Nur wenige verstehen sich auf das richtige Kochen.

Mit den läppischen Tischsitten einher geht eine nachlässige und sachwidrige Bearbeitung der Speisen in der Küche. Da Essen und Trinken zu einer Nebensache geworden ist, für die schon irgendwie gesorgt wird, verstehen sich immer weniger Frauen auf richtiges Kochen. Die meisten Männer, selbst wenn sie die mächtigsten Esser sind, beschäftigen sich ohnehin nicht mit der ihnen gering erscheinenden Arbeit der Beschaffung und Zubereitung der Nahrung. Das sind genau die Schwerenöter, die gerne auch Frauen als Sexualobjekte in Serie „konsumieren“, für die persönlich sie sich in Wahrheit aber gar nicht interessieren. Die Übernahme solcher männlich-machistischen Geringschätzung der Ernährung führt bei manchen Karrierefrauen dazu, dass sie koketter Weise stolz darauf sind, dass sie wenigstens Spaghetti ins heiße Wasser werfen oder ein Ei in der Pfanne aufschlagen können. Aber auch die Menschen, die etwas mehr vom Kochen verstehen, beschränken sich auf die „schnelle Küche“. Man begnügt sich mit einer Hauptspeise aus Fleisch oder Fisch, einer Salat- oder Gemüsebeilage und einer „Sättigungsbeilage“ wie Kartoffeln, Klößen, Reis oder Nudeln. Man vergleiche dagegen einmal die Vielfalt der Speisen, die in den mediterranen Ländern, im Kaukasus oder in Fernost regelmäßig zu einer Mahlzeit gehört.

Viel zu wenige wissen darum, wie durch Dampfgaren und Dünsten, aber auch durch schnelles Kochen unter sehr großer Hitze wie etwa im Wok, die Inhaltsstoffe der Nahrung geschont werden. Mikrowelle und Friteuse, die gnadenlos die meisten wertvollen Mikronährstoffe beschädigen, insbesondere die Proteine denaturieren und die Nahrungsenzyme inaktivieren, werden bevorzugt. Langes Zerkochen im Kochtopf und langes Braten und Backen mit hohen Temperaturen tun es natürlich auch. Kaum jemand kennt die genauen Wege unserer Nahrung durch den Verdauungstrakt und weiß, wie er durch die richtige „Hygiene des Verdauungstrakts“ der Fülle der durch falsche Essweise verursachten Verdauungsstörungen und Fehlversorgungen aus dem Weg gehen kann. Das aber ist ein Thema für eine gesonderte Betrachtung.

Fast Food setzt die Standards für das Essverhalten.

Einige traditionelle Restaurants bemühen sich, die alte Esskultur zu wahren. In ihrer großen Zahl müssen sich die Restaurants aber an die Formen der Blitzabfertigung am Imbissstand und in den Fast-Food-Restaurants anpassen, um das bequem gewordene Publikum noch gewinnen zu können. Wie beim Ankirren der Kinder zum Griff nach Süßigkeiten an den Kassen der Lebensmittelmärkte, geht gemeiner Weise der Weg der Akzeptanz der schnellen Bedürfnisbefriedigung beim Essen über die Kinder. Für sie veranstaltet Mc Donald‘s spezielle Parties. Dort weiß man, dass Kinder nicht gern Tischsitten befolgen. Sie sollen daher schon von klein an lernen, dass es auch ohne geht. Fast Food stellt mit seiner prostitutiven jederzeitigen Verfügbarkeit den ganzen Tag über bis in die Nacht hinein auch den Standard für die Zeit zum Essen. Jeder isst inzwischen wann es ihm passt, das gemeinsame Essen, wenn es überhaupt noch stattfindet, hat keine Funktion mehr.

Selbst die übergroßen Karibik-Kreuzfahrtschiffe sind auf den Trend aufgesprungen. Sie haben die förmlichen großen Essenssitzungen aufgegeben. Jeder kann bei ihnen jederzeit in beliebigem Outfit in einem der vielen Restaurants Platz nehmen und formlos essen.

Falsch verstandene Freiheit von Regeln

In aller überschaubarer Geschichte hat es gewiss nie eine Zeit solcher eklatanten Geringschätzung der Esskultur gegeben. Sie werden fragen, wie es angesichts des doch wirklich vorhandenen großen Interesses an der Erhaltung der Gesundheit dahin kommen konnte. Es ist nicht anzunehmen, dass dies ein Problem der vielen einzelnen Betroffenen ist. Vielmehr erleben wir da in unseren Breiten eine Entgleisung auf gesellschaftlicher Ebene. Die große unterschwellige Macht der Werbung für die falschen Produkte und die falsche Essweise ist sicherlich ein Hauptauslöser für die Misere. Diese Unkultur konnte insgesamt aber nur wachsen auf dem Boden einer weit übertriebenen Liberalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft.

Die bürgerliche Freiheit, die doch nur die Bürger vor der Willkür des Staates schützen sollte, ist konsequent missverstanden worden als Freiheit von allen Regeln, seien sie nun sinnvoll oder nicht. Als Folge der falsch verstandenen bürgerlichen Freiheit sieht sich heute die Politik sogar befreit von der Aufgabe, überhaupt noch die Weichen für die Verbesserung des Wohls der Allgemeinheit zu stellen.

Wenn der Staat nicht schon in der Erziehung der Kinder neue Schwerpunkte zugunsten einer sinnvollen Esskultur setzt, wird sich das Problem nicht auf gesellschaftlicher Ebene lösen lassen. Alle Bemühungen, die Politik einzuschalten, sind leider vergebens. Das hat auch der quirlige britische Starkoch Jamie Oliver gemerkt, der mit Elan aber ohne Erfolg für das Erlernen der Esskultur in den englischen Schulen warb.

Schäden besonders bei den Minderbemittelten

Auch über das Problem der Fettsucht hinaus hat die Aufgabe der Esskultur bereits die Gesundheit der allergrößten Zahl der Mitglieder der Gesellschaft schwer geschädigt. In der Folge sind die Kosten der Krankenbehandlung so sehr angestiegen, dass eine solidarische vollwertige medizinische Betreuung für jedermann nicht mehr bezahlbar ist. Schauen Sie nur den von dieser Situation besonders schwer betroffenen männlichen britischen Urlaubern ins Gesicht und auf die Körper.

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 Massen britischer Billigtouristen am Strand von Salou, Katalonien

Abwärts der „Lower Middle Class“ beherrschen Zahnlücken und dicke Bäuche das Bild. Wenn diese Entwicklung so weiter geht, werden sich die, die diesen Niedergang bei den Minderbemittelten politisch zu verantworten haben, noch durch den bloßen Augenschein bestätigt fühlen, dass der Masse der hässlichen „Inferioren“ doch nicht zukommen darf, was sie, die gepflegten „Superioren“, sich leisten können.

China zeigt es: Außerhalb der geregelten Essenszeiten isst man nicht!

Zur Esskultur gehören mehrere Momente. Der wichtigste ist der Umstand, dass das Essen ein sozialer Vorgang ist. Seit eh und nahmen die Menschen aller Kulturen ihre Mahlzeiten gemeinsam ein. Tagsüber wurden die Speisen zusammengetragen, danach wurden sie zubereitet und gemeinschaftlich verspeist. So machten es unsere Vorfahren, als sie noch Jäger und Sammler waren. So hielten es auch die Römer in der Zeit des Aufbaus ihres Weltreiches; auch sie aßen nur einmal am Tag, wenn die Arbeit getan oder die Schlacht geschlagen war.

Um gemeinsam essen zu können, gehört es sich, pünktlich zum Essen zu erscheinen. In China und allen umliegenden Ländern sind die Essenzeiten fast heilig. Das Frühstück ist meist nicht viel mehr als eine kleine Nudelsuppe, die zuhause im Kreise der Familie eingenommen wird. Wichtig ist die erste große Hauptspeise, das Mittagessen, das im ganzen Land pünktlich von 12.00 bis 13.00 Uhr stattfindet. Da setzt man sich im Kreise der Familie oder von Arbeitskollegen in die Runde und konzentriert sich auf die vielen leckeren Speisen in den für alle zugänglichen Schüsseln auf dem Tisch. Dabei kümmert sich jeder um das Wohl jedes Einzelnen in der Runde. Großes Thema sind das Essen und sein besonderer Wert. Streitthemen, Reden vom Geschäft und über Politik sind verpönt. Abends wiederholt sich das Ganze noch einmal. „Zwischendurch“ isst niemand etwas. Da trinkt man nur hier und da eine Tasse Tee (ohne Kalorien). Unwissende Besucher des Landes machen sich manchmal lustig darüber, dass die Chinesen regelrecht versessen wären auf das Essen. Dabei ist es  ihre Esskultur, die sie im Vergleich zu uns viel gesünder hält – und natürlich schlank!

Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges achteten auch wir die Essenzeiten.

Aber war das nicht bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges bei uns genauso?  Der berühmte deutsche Fernsehkoch Max Inzinger („Ich hab da mal was vorbereitet“) der siebziger Jahre, der nicht nur ein gelernter Küchenmeister, sondern auch ein erfahrender Ernährungsphysiologe war, erinnerte gern an die Esskultur aus der Vorkriegszeit. Sein Motto war: „ Ich esse nur zu den vorher bestimmten Essenzeiten.“ Diese wichtigste Grundregel jeder Essenskultur lässt einen läppischen Umgang mit unserer Nahrung nicht zu. Wir sollen Freude am Essen haben, sollen es aber auch bewusst in Gemeinschaft genießen. Ich erinner mich noch gut an die Mahnung meines Vaters: „Beim Essen streitet man nicht,“

Essen außerhalb geregelter Essenszeiten macht uns fett und krank.

Der besondere Grund für die Wiederbelebung der Esskultur mit der Einhaltung von Essenszeiten und Essenspausen dazwischen ist der, dass wir unserem Körper unbedingt ausreichende Zeiträume für die Verstoffwechslung der Nahrung und der Verteilung ihrer Bestandteile im Körper gönnen müssen, bevor wir erneut Nahrung aufnehmen. Wenn wir das nicht tun, überfordern wir unsere Systeme und werden im Verlaufe der Zeit unweigerlich Opfer der grassierenden chronischen Krankheiten. Beschäftigen wir unseren Körper kontinuierlich mit der Verdauungsarbeit können wir die Uhr danach stellen, dass uns die vielen sog. Volkskrankheiten erreichen wie Adipositas, Diabetes (metabolisches Syndrom), Kreislauferkrankungen von Bluthochdruck bis zu Verschlusskrankheiten, Herzinfarkt und Schlaganfall, Gallenblasenleiden, Apnoe, Asthma, Gicht und Rheuma und wohl auch Krebs, um nur die wichtigsten der inzwischen pandemischen Erkrankungen zu nennen.

Esskontrolle ist leichter gesagt als getan.

Übergewicht und Fettsucht haben seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges zunächst in der westlichen Welt und inzwischen auch in vielen weniger entwickelten Bereichen der Welt die Hälfte der Bevölkerung und mehr wie eine Seuche befallen. 1974 war ich erstmals in Mexiko. Damals konnte man übergewichtige Menschen wie Stecknadeln im Heuhaufen suchen. Gut dreißig Jahre später stellte ich fest, dass heute in großer Zahl schon die Kinder und Jugendlichen dick und fett sind. Unter den heute gegebenen Umständen schaffen es die meisten Betroffenen einfach nicht, ihre tägliche Nahrungsaufnahme sinnvoll zu gestalten und zu kontrollieren. Es gelingt ihnen insbesondere nicht, ihren Hunger zu besänftigen und den inneren Drang zum Essen aus schierer Gewohnheit wie aus Lust und Gier wie auch aus Frust am Leben in den Griff zu bekommen.

 

Temporäre Diäten helfen nicht.

Dieses unlösbar erscheinende Problem fehlender Esskontrolle trifft sich mit der heute wirklich endgültigen Erkenntnis, dass man mit temporären Diäten niemals nachhaltig die einmal gewachsenen Fettpolster los werden kann. Der Jojo-Effekt macht jede Bemühung zur Farce. Zwar nimmt man praktisch mit jeder noch so dusseligen Diät kurzfristig gut ab. Das ist allein der Konzentration auf die selbstgesetzte Aufgabe und der damit erzeugten besseren Esskontrolle geschuldet. In der selbst auferlegten Hungerzeit fährt der Körper aber seinen Grundumsatz zurück und braucht danach dann weniger Energiezufuhr. Dies und die Rückkehr der alten Essgewohnheiten nach der Beendigung der Diät bringen das alte Gewicht unweigerlich zurück, oft genug sogar noch mehr als das.

Nur eine dauerhafte Änderung des Essverhaltens kann helfen. Die dazu nötige Esskontrolle schafft aber kaum jemand. Alles was an dazu heutzutage an Regeln aufgestellt wird, so richtig es inhaltlich sein mag, ist viel zu kompliziert, um wirklich nachhaltig beachtet werden zu können. Soll das etwa bedeuten, dass damit das Ende der Fahnenstange erreicht ist? Einige Übergewichtige haben angesichts dieser Situation längst aufgegeben und machen aller Welt und sich selbst vor, dass sie mit ihrem Übergewicht gut leben könnten.

Die schlichte Einhaltung von Essenspausen ist die Lösung.

Dabei ist es so einfach, abzunehmen und das Gewicht zu halten, indem man dem Körper regelmäßig in ausreichend langen Essenspausen die Gelegenheit gibt, auf Fettverbrennung umzustellen. Die moderne Ernährungswissenschaft hat dazu gesicherte neue Erkenntnisse gesammelt. Wenn nie mehr auf den gefüllten Magen gegessen wird, zieht sich mit der Metabolisierung der Nahrung und der Verteilung ihrer Inhaltsstoffe im Körper das auch „Dickmacherhormon“ genannte Transporthormon Insulin zurück und macht Platz für eine Fülle von Hormonen, Enzymen und Proteinen, die die Fettzellen in ihren körperlichen Speichern öffnen, auslaufende Fettsäuren in die Verbrennungsklammern der Körperzellen, die Mitochondrien, verschaffen und sogar für einen neuen Bewegungsdrang (Nahrungssuche) sorgen. Die Bewegung „Schlank im Schlaf“ (Dr. Pape) hat dies für den Zeitraum der Nacht, in der sich das Wachstumshormon nach dem Rückzug von Insulin bilden kann, überzeugend beschrieben. Gerade da gelingt es aber nur wenigen, weil sie es nicht lassen können, vom frühen Abend bis zum Schlafengehen gar nichts zu essen und insbesondere nicht das eine oder andere Gläschen zu trinken. Aber Essenspausen machen auch tagsüber Sinn, da sind es andere Mechanismen die zum selben Erfolg führen. Jede Öffnung der Fettzellen ist ein Grund zum Feiern, zumal sie, wenn sie einmal geöffnet werden, überporpotional viel Fett ablassen. Diese erstaunlichen Vorgänge werde ich in einem gesonderten Beitrag im Detail vorstellen. So viel ist jedenfalls klar: wer eine Esskultur befolgt, die feste Essenszeiten beachtet, hat schon gewonnen.

Wie sicher die Wahrung einer Esskultur mit der Einhaltung fester Essenzeiten zum Erhalt der Gesundheit und einer schlanken Linie ist, bedarf kaum der Erörterung, wenn man sich nur einmal die Verhältnisse in China anschaut. Bevor in den großen Städten des Landes mit Mac Donald’s, Kentucky Fried Chicken und Pizza Hut auch westliches Fast Food erste Verbreitung fand, gab es im ganzen Land kaum übergewichtige Menschen. Dort sind aber auch seit Jahrtausenden die Zeit von 12.00 bis 13.00 Uhr mittags und 18.00 bis 19.00 Uhr abends regelrecht geheiligte Zeiten zur Essensaufnahme. In dieser Zeit kann man in dem Riesenland wirklich niemanden erreichen, weil dann ausnahmslos alle bei Tisch sitzen. Viel anders war das früher in Europa auch nicht. Auch bei uns war Übergewicht die Ausnahme. In Kenntnis des Wissens um die Wirkungen von Insulin und seinen Gegenspielern ist das alles leicht zu verstehen.

Das Esskontrollhormon Serotonin ermöglicht die Einhaltung der Essenspausen.

Was zu tun ist, um dem Übergewicht ein Ende zu machen, ist also kein Rätsel mehr. Aber auch die Esskontrolle, deren es zur Umsetzung der Maßnahmen bedarf, ist nach heute gesichertem Wissen nicht mehr problematisch. Nur wissen das erst sehr Wenige. Die Nahrungsaufnahme wird durch ein kompliziertes System gesteuert, an dem neben den Gegenspielern Insulin und Glukose eine ganze Reihe weiterer Hormone beteiligt sind. Oberstes Esskontrollhormon aber ist das Schlüssel- und Wohlfühlhormon Serotonin.

Wie dieses Hormon auf den Plan gerufen werden kann, weiß indessen niemand so gut wie ich, der ich der Entdecker der Wirkzusammenhänge bin, nach denen sich zentralnervös Serotonin auf körpereigene Weise bildet. Diese Regeln, die ich wegen der besonderen Verteilung der Aminosäuren im Körper bei diesen Vorgängen das Aminas-Prinzip genannt habe, werde ich in einem späteren Beitrag näher vorstellen. Ich nehme vorweg, dass es im Effekt um die Herstellung eines starken anhaltenden Verstoffwechslungssignals durch den Verzehr nur kleinen Menge gemischter hochfein gemahlener und auch gröber zerkleinerter gewöhnlicher Pflanzennahrung und ihren Verzehr innerhalb einer nur kleinen Mahlzeit auf leeren Magen geht.

Esskontrolle und weit mehr an gesundheitlichen Wirkungen dank der vielfachen Aufgaben von Serotonin.

Ein Satz noch zu dem unglaublichen Steuerstoff Serotonin, der erst in den 90er Jahren gründlich erforscht wurde. In seiner zentralnervösen Funktion als Botenstoff ist Serotonin der Regulator für die wichtigsten Vorgänge im gesamten Hirngeschehen. Serotonin kontrolliert nach der Feststellung der Endokrinologen Sinneswahrnehmung, Wachen und Schlafen, Essverhalten, Wohlbefinden, Schmerz, Angst, Zwang, Körpertemperatur, Impulsverhalten, Sexualität, Sucht und Suizidalität. Seine fortwährende Transmission von ihrem Entstehungsort in den Raphe-Kernen des Stammhirns in alle Gehirnbereiche hinein sorgt erst für eine große Globalisierung und Harmonisierung des bewussten und unbewussten Erlebens. Wird Serotonin in einer seiner Funktionen angefragt, beispielsweise wird es durch ein starkes Verdauungssignal als Esskontrollhormon zur Begrenzung der Nahrungsaufnahme auf den Plan gerufen, steht es dann auch zur Wahrnehmung aller seiner weiteren Aufgaben zur Verfügung. Dadurch dass Serotonin als Schlüsselhormon auch den Einsatz aller anderen Botenstoffe im Gehirn kontrolliert und moduliert, potenzieren sich seine Wirkungen noch. Komme ich also mit der Bereitstellung von Serotonin auf den Weg zu einer besseren Esskontrolle, um abnehmen und Gewicht halten zu können, halte ich mir zugleich eine Vielzahl möglicher mentaler Störungen vom Halse. Welchen Einfluss die fehlende Verfügung über Serotonin auf die Entstehung von u.a. schlechter Lebensstimmung, Depressionen, Burnout, Panikattacken, Zwangsstörungen, Migräne, Fibromyalgie, Restless Leg Syndrom, ADHS und mehr hat und wie eine Verbesserung der Versorgung bei der Beseitigung einmal eingetretener Störungen hilfreich sein kann, ist Gegenstand besonderer Betrachtung in einem späteren Beitrag an dieser Stelle.

Fazit: Hilfe für interessierte Einzelne, kaum für die Gesellschaft

Jedermann, der sich klug macht, kann für sich und seine Lieben eine persönliche Esskultur einführen, die ihm mit festen Essenszeiten die Gewähr gibt für einen perfekt funktionierenden Metabolismus und die große Chance auf ein langes gesundes Leben voller Wohlbefinden. Dieses Wissen allgemein zu verbreiten würde auch die ganze Gesellschaft einen großen Schritt voran bringen. Wie so etwas aber in unseren nur formal funktionierenden Demokratien durchgesetzt werden könnte, steht in den Sternen. Denn jede grundlegende Veränderung ändert auch die allgemeinen wirtschaftlichen Bedingungen und begegnet Widerspruch von denen, die davon profitieren, dass sich gerade nichts ändert. Wenn diese aber eine gute Lobby bei den Regierenden und in den Parlamenten haben, ist die allgemeine Misere erst einmal auf absehbare Zeit festgeschrieben.