Richtig Essen

GfE- Gesellschaft für richtiges Essen und Lebensgestaltung e.V.

Autonomie beim Essen und in der Lebensgestaltung

Erstellt von r.ehlers am Samstag 29. August 2015

Manchmal treibt die Sprache Blüten, die man gern alsbald abschaffen würde, wenn man könnte. So ist nämlich ein autonomer Mensch längst kein Autonomer und ein Autonomer muss beileibe nicht autonom sein. Irre, nicht?

Die Verwirrung kommt ins Bild durch die allgemein „Autonome“ genannten Mitglieder von Gruppen, die sich unabhängig von und auch aktiv gegen die bestehende staatlichen und gesellschaftlichen Ordnung selbstbestimmte Freiräume nehmen für den Versuch der Umsetzung ihrer Vorstellungen von einer idealen antiautoritäten anarchistischen Gesellschaft. Die Staatsschutzbehörden stufen die „Anarchos“ als potenziell gefährliche Linksextreme ein. Daneben gibt es aber auch Anarchisten, die engagierte friedfertige Sozialromantiker sind und von einer Abschaffung jeglicher Herrschaft des Menschen über den Menschen träumen.

-de.wikipedia.org-

Gruppe von Autonomen in einer Demonstration (Sicherheitskonferenz München 2011)

Im Ausgangspunkt völlig unpolitisch und auf keine Weise von den autonomen linken Demonstranten angehaucht sind die autonomen Esser. Solche gibt es in der Tat.

Die autonomen Esser sind in meinen Augen wichtig für die unerlässliche Abkehr unserer Gesellschaft von ihrem das Wohl der Allgemienheit nicht ausreichend beachtenden Ernährungs- und  Gesundheitssystem.

Nun muss ich aber unbedingt etwas dazu sagen, was Autonomie denn überhaupt ist:

 

Das Wesen der Autonomie

Das griechische Wort Autonomie ist zusammengesetzt aus den Wörtern „Autos“, was „Selbst“ heißt und „Nomos“, was „Gesetz“ heißt – also eine Eigengesetzlichkeit und Selbstbestimmtheit, Unabhängigkeit, Selbstverwaltung und Entscheidungsfreiheit anspricht. Der Gegenbegriff ist die Heteronomie, die Fremdbestimmung.

Als ich über das „Wohlfühlhormon Serotonin. Botenstoff des Glücks“, Via Nova 2012/2014 schrieb, stieß ich auch den bis heute größten Lehrer und Befürworter der menschlichen Autonomie, Immanuel Kant, der sich dezidiert gegen den in der alten Philosophie und in der Realität des Lebens immer wieder aufgekommenen Eudämonismus richtete, also gegen die Lehre von der Glückseligkeit als Ziel allen Strebens.

Die reale Möglichkeit der Autonomie hängt nach Kant von der Überwindung gegebener Formen der Abhängigkeit und Fremdbestimmung ab, auch wenn diese eine gewisse Sicherheit zu bieten scheinen. In diesem Sinn fordert Kant den Mut jedes Menschen ein, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen. Diese aufklärerische Forderung ist fester Bestandteil des Begriffs des mündigen Bürgers geworden, der notfalls auch in der Lage ist Widerstand zu leisten. Am Ende steht das selbstbestimmte Handeln nach der Moral des Kategorischen Imperativs.

 

Und wie kann man autonom essen?

Zum autonomen Esser wird man, wenn man mal mit einigem Abstand betrachtet, wie in unserer Gesellschaft gegessen wird und welche Auswirkungen das auf uns Menschen und unsere Welt hat. Was nach sorgsamer Betrachtung der autonome Mensch dann für richtig hält und ob er dann gar Vegetarier wird oder was immer, ist sekundär. Wesentlich ist, dass er sich auf Grund eigenen Entschlusses von bestimmten Lebensmitteln fern hält, anderen besonders zuneigt, wohlüberlegt beim Einkauf und der Zubereitung der Speisen vorgeht und sich in Kenntnis der wahren Lebensbedürfnisse die rechte Zeit und die richtige Art und Weise der Aufnahme der Nahrung auswählt.

Wenn der autonome Esser sich diesem Thema mit dem gesunden Menschenverstand nähert, den wir doch praktisch alle von der Natur geschenkt erhalten haben, macht seine Entschließung nicht einfach zu essen, was so üblich ist und was ihm vorgesetzt wird, für seine Gesundheit und sein ganzes Leben einen fundamentalen Unterschied aus. Um das zu wissen, muss ich nicht einmal darauf abstellen, dass bestimmte Essweisen sogar die mentale Verfassung und unser tägliches Wohlbefinden positiv bestimmen, während die Nachlässigkeit beim Thema Essen die Wurzel der größten Übel für den Einzelnen wie die ganze Gesellschaft sind.

 

Von der Macht des Unbewussten wusste Kant noch nichts

Immanuel Kant entwickelte seine Philosophie des autonomen Menschen im Bewusstsein, dass trotz aller Beschränkung der Erkenntnisfähigkeit des Menschen dieser doch ein rational bestimmtes Wesen sei. Dieser Ansatz ist durch die neuen Wissenschaften vom Menschen, besonders von der Biologie und der Gehirnforschung überholt. Seither ist das Leben viel komplizierter geworden.

Wir müssen damit leben, dass wir im Innersten getrieben werden von Instinkten, Urtrieben, Gefühlen, Ängsten und Begehrlichkeiten, die von innen gesteuert werden durch ein System von Gehirnbotenstoffen und von außen durch ungezählte Umwelteinwirkungen, nicht zuletzt durch Kräfte, die uns zu gern bevormunden und dirigieren. Wie autonom wird angesichts dieser Angriffe noch sein können, ist heute die große Frage. Sehr eingehend damit befasst haben sich die Professoren Michael Pauen und Harald Welzer in ihrem großartigen Buch „Autonomie. Eine Verteidigung“, S. Fischer, 2015.

Wer im Leben richtig essen will, muss natürlich auch beachten, dass ihn die Essgewohnheiten, die er einmal gelernt hat, mächtig bedrängen. Auch steht er in einer Abhängigkeit von allen Menschen seines Umfelds, die mit ihm aus einer Küche leben und an einem Tisch essen. Wenn da einer autonom entscheiden will, was er essen möchte, muss verdammt gute Argumente haben, um nicht angegiftet zu werden. Aber in den meisten Fällen lohnt es sich, die falschen alten Regeln aufzugeben und m Zweifel auch seine persönliche Umgebung ein Stück auf dem Weg zu einer gesünderen Ernährung mitzunehmen!